Mittwoch, 1. Oktober 2014
Franz Rottensteiner (Hrsg.): Viktorianische Gespenstergeschichten
Klassische Geistergeschichten laufen bei mir ja immer gut rein, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis ich mir diese Sammlung aus einer der wohl fruchtbarsten Perioden des Genres vornehmen würde. Neben Charles Dickens, Joseph Sheridan Le Fanu und Edith Nesbit sind hier hauptsächlich heutzutage eher vergessene Namen versammelt, wobei interessanterweise weibliche Schriftsteller deutlich dominieren. Von einer Dame stammt auch meine Lieblingsgeschichte der Anthologie, "Die Nase" von Rhoda Broughton, die zunächst leicht und humorvoll vom Urlaub eines verliebten Paares berichtet, dann aber einige bittere Wendungen nimmt mit unvorhersehbaren Eingriffen des unerklärlichen Grauens. Aber auch die restlichen Erzählungen des Bandes können überzeugen, eine vorzügliche Sammlung teils sehr unbekannter Geschichten.



Daher kann ich auch eine Kritik des Buches, die ich kurz nach Erscheinen 1988 irgendwo gelesen hatte, im Nachhinein erst recht nicht verstehen, dort wurde beklagt, daß man sich in der "Phantastischen Bibliothek" bei Suhrkamp nichts mehr traut und statt aktueller Autoren günstigen, da aufgrund des Alters rechtefreien Texten den Vorzug gibt. Auch wenn einige der hier versammelten Werke schon anderweitig erschienen sein mögen, gab es viele davon vorher nicht in deutscher Übersetzung, wie ich auch Verständnis dafür habe, daß aufgrund des Nischencharakters vieler Bände aus der "Phantastischen Bibliothek" hier auch mal bewußt Kosten eingespart wurden. Vor einigen Jahren wurde die Reihe vermutlich wegen zu niedrigen Verkaufszahlen ja komplett eingestellt, was schon ein herber Verlust für die Liebhaber anspruchsvoller Phantastik in Deutschland war - ich könnte jetzt keine andere Reihe nennen, in der eine so hohe Anzahl persönlicher Lieblingsbücher erschienen sind.

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