Samstag, 17. Juli 2021
L'homme qui osa
Tod am Meer, Belgien 1966, Regie: Jean Delire



Der Bürgermeister einer kleinen Ortschaft ist verzweifelt: Nach zahlreichen Tieren verschwinden nun auch immer wieder Menschen bei den "schwarzen Teichen" hinter dem Fluß. Polizisten und Priester wollten der Sache auf den Grund gehen, doch auch diese kamen nicht mehr von dort zurück. Jetzt bietet sich der Abenteurer Hillmacher an, gegen entsprechende Bezahlung die Ursache der Geschehnisse aufzuspüren...



Dieser Kurzfilm ist eine Episode der Fernsehserie "Les contes fantastiques" die 1966/1967 entstand und in der hauptsächlich Kurzgeschichten von Jean Ray adaptiert wurden, aber auch mindestens zwei von Thomas Owen. Überlebt haben scheinbar nur ein paar Episoden. Zwei davon haben in der IMDB auch deutsche Titel, aber ob, wie und wann sie tatsächlich im deutschen Fernsehen gelaufen sind, konnte ich noch nicht herausfinden.



Das Intro spricht überraschenderweise Jacques Brel, der die Zuschauer über das Fantastische und dessen Beschaffenheit aufklärt - zu dieser Zeit fanden einige Fernsehsender es wohl notwendig, das Publikum entsprechend vorzuwarnen. Zudem erläutert er - zumindest meine ich das mit meinem eingerostetem Rest-Französisch zu verstehen - warum das Fantastische gerade in Belgien so gut gedeiht und beliebt ist, das hängt wohl mit der Landschaft und der allgemeinen Atmosphäre zusammen.



Zum Glück war ich für den Hauptfilm nicht alleine auf mein rudimentäres Sprachverständnis angewiesen, gibt es doch - wie ich auch eher zufällig festgestellt habe - von Scott Nicolay und der Wakefield Press das unterstützenswerte Unterfangen, zumindest die Hauptwerke von Jean Ray vollständig ins Englische zu übersetzen, statt der bislang vorhandenen bits'n'pieces. "L'homme qui osa" erschien zuerst 1943 in der Sammlung "Les cercles d'épouvante" und findet sich nun als "The man who dared" in der letztes Jahr erschienenen englischen Ausgabe "Circles of Dread".



Wobei der Quelltext auch in der englischen Übersetzung sehr rätselhaft ist und einige "Leerstellen" der Fantasie des Lesers überlässt. Oder mir entgeht hier etwas, das nur Belgier verstehen. Die Adaption pappt zwar einen Wanderzirkus nebst Kleinwüchsigen sowie einen jugendlichen Sidekick für Hillmacher dazu, die es in der literarischen Vorlage so nicht gab, verbleibt in der letzten Einstellung aber genauso uneindeutig wie der letzte Satz der Erzählung. Das hat mich jetzt beide Male - beim Lesen wie beim Schauen - irritiert, aber ich mag es.

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Samstag, 13. Juni 2020
SUkSPENSE
Der mittlerweile 92jährige Aachener Animationsfilmer Bruno Sukrow (interview siehe hier und einige Rezensionen und andere Infos siehe dort) arbeitet momentan an einer Reihe mit kurzen Horrorfilmen, die auch online zu sehen sind. Für die dritte Episode durfte ich auch wieder mal eine Rolle sprechen, man sollte sich aber ruhig auch alle anderen anschauen, "Das Testament" ist bislang mein Favorit - weitere Folgen sind bereits in der Mache, der Mann ist unermüdlich.

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Samstag, 19. August 2017
La présence désolée
Belgien 1965, Regie: André Cavens



Es war eine ungewöhnliche und unbekannte Gegend, wie sie manchmal in Träumen erscheint; alles gerät da ins Wanken, und es gibt nur noch einen Fixpunkt, der zur Realität gehört, einen grauen Stein, einen hartgewordenen Maulwurfshügel, einen Zweig, an dem der Blick verzweifelt haften bleibt.



Ein Reisender kommt an einen verlassenen Ort und kann diesen nicht mehr verlassen.



Kurzfilm nach einer Kurzgeschichte von Thomas Owen, aus der auch das Eingangszitat stammt. Obwohl nur wenige Erzählungen Owens ins Deutsche übersetzt wurden, ist er einer meiner Lieblingsautoren und so war ich äußerst erfreut, nach Hostel Party eine weitere der seltenen filmischen Adaptionen seiner Stoffe ausfindig machen zu können, von deren Existenz ich zudem zuvor gar nichts wußte.



Wie in der literarischen Vorlage, geht es auch in der Verfilmung nicht darum, eine Geschichte zu erzählen, sondern ein eigenartiges Gefühl, eine eigenartige, traurige und nicht wirklich erklärbare Stimmung zu erzeugen - "alles gerät da ins Wanken" - das Individuum wird hilflos unwirklichen Elementen ausgesetzt, aber die Wirklichkeit ist auch nicht besser.



Komplett ohne Dialog, ist der Film größtenteils eher konventionell inszeniert, nur in der Montage tauchen Elemente des Experimentalfilms auf, die sich bei dieser Vorlage freilich aufdrängen. Tolles Ding! Merkwürdig und interessant, daß sowohl der überzeugende Hauptdarsteller Roger Planchard als auch der äußerst begabte Kameramann Raymond Ceuppens nur diesen einen Film gemacht haben. Da hätte man gerne noch mehr gesehen. Jetzt muß ich für den nächsten Belgien-Urlaub nur noch die faszinierende Location herausfinden, in der das Ganze gedreht wurde...falls es sie noch gibt.













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Sonntag, 5. März 2017
16. Hofbauer-Kongress: Tag 3
Da mir ein paar Sachen dazwischen gekommen waren, hier nun mit etwas Verzögerung noch der fällige Bericht zum letzten Tag des 16. außerordentlichen Filmkongresses des Hofbauer-Kommandos:



Eröffnet wurde der Sonntag mit einer Pornochanchada - ein Genre, das im Brasilien der 70er und 80er Jahre äußerst populär war und Sexkomödien bezeichnete, von denen die wenigsten außerhalb des Entstehungslandes gezeigt wurden. Eine der Ausnahmen war VERFLIXT NOCHMAL... WER HAT, DER HAT (José Miziara, 1978), der auserwählt wurde, auch hiesige Leinwände zu befruchten. Die Geschichte handelt von einem naivem Landei, das mit einem mächtigem Schwengel ausgestattet ist und die Aufmerksamkeit von zwei reichen Damen aus der Großstadt auf sich zieht, die ihn alsbald unter ihre, äh, Fittiche nehmen wollen. Hier ist viel Slapstick an Bord, die Tonspur setzt lustige Geräusche ein - vor allem, als sich unser Held zwecks Zügelung seiner Triebe eine Ritterrüstung anzieht, die Erektion aber trotzdem nicht ausbleibt - und bei jedem Orgasmus gibt es ein Erdbeben. Bonuspunkte zudem für Herbert "Mr. Spock" Weicker als Synchronstimme eines tuntigen Butlers und die wohl unvorhersehbarste Auflösung der Standardsituation "Ehemann erwischt seine Frau mit einem anderen im Bett". Spaß!



Unter den Teppich der Filmgeschichte werden auch gerne die zur NS-Zeit entstandenen Unterhaltungsfilme gekehrt, und einen solchen gab es als nächsten zu sehen: DAS BAD AUF DER TENNE (Volker von Collande, 1943) war zu seiner Zeit ein großer Hit, und das obwohl Herr Goebbels ihn aufgrund zu vieler Anzüglichkeiten überhaupt nicht mochte. Im wahrsten Sinne des Wortes ein "Lustspiel", werden hier die Irrungen und Wirrungen eines kleinen Orts am Niederrhein geschildert, nachdem die Frau des Bürgermeisters eine Badewanne geschenkt bekommen hat. Heutzutage bedenklich wirkend ist freilich die Darstellung eines kleinen afrikanischen Jungen, die war aber in Hollywood zu dieser Zeit auch nicht unbedingt besser.



Nach einem sättigendem Mahl mit böhmischer Küche (Ich liebe Reibekuchen!) wurde es dann noch mal Zeit für den Onkel Joe und quasi sein Sahnestück des diesjährigen Kongresses: NACKTE EVA (Joe D'Amato, 1976) war von vorne bis hinten ein Traum, mit exotischen Locations in Hong Kong, tollen Darstellern wie Laura Gemser, Jack Palance, Gabriele Tinti und zahlreichen geilen Sequenzen und Bildern. Danach hätte ich auch mit einer Schlange getanzt, wenn eine dagewesen wäre.



Unglücklicherweise gab es Probleme mit den Kopien der ursprünglich geplanten letzten beiden Filme, aber das Hofbauer-Kommando wäre nicht das Hofbauer-Kommando, wenn es nicht auch eine solche Situation souverän meistern könnte. So zogen sie spontan DER ZYNISCHE KÖRPER (Heinz Emigholz, 1991) aus dem Hut, einen der wenigen Spielfilme des Architektur-Filmers, der sich als absoluter Knaller entpuppte. Großartig, wie hier die gestelzten Dialoge des "intellektuellen deutschen Films" sich selbst parodieren und mit kongenialen Bildern untermalt werden. Ein weiterer toller Film, den ich ohne den Kongress wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen hätte.

Für die ganz Harten gab es im Anschluß noch die Folgen 5-8 von DER LIEBE AUF DER SPUR zu sehen, die nicht ganz den Unterhaltungswert der erste vier Folgen besaßen, aber es war auch schon spät, und ich wurde ein bißchen müde. Interessant jedenfalls, daß in der letzten Folge plötzlich in ziemlicher Vehemenz AIDS thematisiert wurde und der ansonsten eher lockere Ton der Serie ziemlich ins düstere kippte, komplett mit Nebelmaschinen in finsteren Gossen. Es ist mir völlig unbegreiflich. Weiß zwar nicht, wohin die Reise geht, doch es geht mir gut.



Für mich geht die Reise definitiv zum nächsten Hofbauer-Kongress, aber zuvor noch zum diesjährigen Terza Visione-Festival, das Ende Juli in Frankfurt stattfindet und bestimmt auch wieder sehr geil wird.

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Freitag, 20. Januar 2017
16. Hofbauer-Kongress: Tag 2


Ein Stammgast bei den Hofbauer-Kongressen ist mittlerweile auch der eigenartige Jürgen Enz. Mit VERBOTENE SPIELE AUF DER SCHULBANK (1980) begann der Kongress-Samstag dann im wahrsten Sinne des Wortes äußerst Hardcore. Auch dieser Film zeichnete sich durch die vom Regisseur gewohnte triste Mise en Scène und die beinah schon lustfeindliche Inszenierung der Sexszenen aus, wobei die Hauptdarstellerin Soraya Athigi - die scheinbar in sonst keinem anderen Film aufgetreten ist - für Enzsche Verhältnisse recht ansehnlich ist. Überraschend auch einzelne Sequenzen eines Schulausflugs, die eine durchaus idyllische Stimmung verbreiten konnten, und das zynische, knallharte Ende.



Mein erster Höhepunkt des Festivals (hmm, bei Erotikfilmen von Höhepunkten zu schreiben, dafür gehöre ich eigentlich ausgepeitscht) war dann der sehr obskure und wohl andersweitig kaum zu sehende SYRTAKI - EROTIK OHNE MASKE (Giorgos Papakostas, 1966), eine sättigende Mischung aus Exploitation und Moralkeule. Die junge Maro wird von ihren Eltern vom Land in die Stadt geschickt, um ihrer schwangeren Schwester beizustehen. Sie sträubt sich sichtbar, da sie weiß, dort ihrem schweinischen Schwager Kostas ausgeliefert zu sein. Ein Film voller Dynamik, der ständig Gas gibt und konsequent auf den Abgrund zusteuert. Eine wundervolle Entdeckung!

Als nächstes schlug die Stunde des geheimnisvollen Filmclubs BUIO OMEGA, die zwei Überraschungsfilme aus Gelsenkirchen mitbrachten. Der erste war eine Rarität aus Japan, und der deutsche Titel LUSTVOLL EINE SCHLANGE STREICHELN (Kan Mukai, 1968) löste ein wenig Kopfkratzen aus, aber das ist ja keine Seltenheit. Erzählt wird nämlich die Geschichte eines armen Mädchens aus einem heruntergekommenen Bretterbuden-Viertel, das sich prostituiert, um nicht zu verhungern. Später schafft sie es zwar immerhin zu einer eigenen Bar, aber Glück und Liebe bleiben ihr fern. Ein äußerst düsterer Film in den aus Japan gewohnten makellosen Scope-Bildkompositionen und ein interessanter Kontrast zum frivol-fröhlichen Ton anderer Kongressfilme.



Der zweite Überraschungsfilm der Buios kam aus den USA und von einer alten Bekannten: Auch ZAUBERSTAB ZUR SELBSTMASSAGE (Doris Wishman, 1968) hat einen etwas merkwürdigen deutschen Titel bekommen - es geht um einen rücksichtslosen Gigolo, der mit allen Mitteln versucht, "nach oben zu kommen" - aber egal, das ist wieder Wishman-Wahnsinn reinsten Wassers mit unerklärlichen Kameraperspektiven, surrealer Montage und vielen Telefonen. Sehr schön auch der Vorfilm, in dem die Herren aus Gelsenkirchen Frau Wishman bei den Dreharbeiten zu ihrem letzten Film besuchten und auch ihren sympathischen Stamm-Kameramann C. Davis Smith interviewten.



Zum Abschluß gab es dann wieder etwas von Onkel Joe: MIT DER PILLE UMSO TOLLER (Joe D'Amato, 1977) ist eine klassische Sexkomödie um einen Frauenarzt, der zusätzlich zu seiner eigenen kleinen Praxis die Vertretung eines High Society-Kollegen übernimmt, der sich wegen Schulden ein wenig verdünnisieren muß. So hat er in Oberschicht wie Unterschicht alle Hände voll zu tun...und nicht nur die Hände. Eine durchaus kurzweilige Angelegenheit, die die Nummernrevue der Sexszenen noch mit etwas politischer Satire würzt.

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Dienstag, 10. Januar 2017
16. Hofbauer-Kongress: Tag 1
Hurra! Nachdem ich letztes Jahr dem wertvollen Kongress leider entsagen mußte - dafür aber immerhin am Terza Visione-Festival an der gleichen heiligen Stätte der Cinephilie teilnehmen konnte - ging es letztes Wochenende noch einmal runter nach Nürnberg zu dieser denkwürdigen, mittlerweile zurecht legendären Veranstaltung des Hofbauer-Kommandos, bei der reihenweise die Hosen platzen und andere wundersame Dinge geschehen.



Ein Schwerpunkt des diesjährigen Programms war der italienische Autorenfilmer Joe D'Amato, von dem dann auch der Eröffnungsfilm stammte: DIRTY LOVE (1988) erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens aus der Provinz (Valentine Demy), das seine Tanzleidenschaft zum Beruf machen möchte und dazu auf eine Tanzakademie in die große Stadt (Richmond, Virginia) gehen will - dabei verpasst sie leider ihren Zug und versucht, per Anhalter weiterzukommen, wobei sie dann direkt ungewollt Kontakt mit den klebrigen Fingern der Männerwelt bekommt. Sie weiß sich aber zu wehren und verfolgt weiter ihren Weg - glücklicherweise bekommt sie dafür auch ein Fahrrad geschenkt.

Mit DER LIEBE AUF DER SPUR (Mietek Lewandowski, 1988) folgte der auf den Kongressen bereits etablierte Ausflug in die Gefilde der FWU-16mm-Pädagogik, diesmal statt mehrerer unterschiedlicher Kurzfilme zusammenhängende Episoden einer größer angelegten Narration über die Liebesmühen Heranwachsender in Mainz oder Wiesbaden. Sehr einprägsam auch der Titelsong mit schlimmen, im Film von Sebastian Koch gespielten 80er-E-Drums, dessen Meta-Textzeile "Es ist mir völlig unbegreiflich" den Kongressbesuchern noch lange im Kopf herumspuken sollte.



Anschließend war es Zeit für den "stählernen Überraschungsfilm", der sich als HEUBODENGEFLÜSTER (Rolf Olsen, 1967) entpuppte - die Kopie dieses Lustspiels um konkurrierende Bürgermeisterkandidaten in der bayrischen Provinz war schon ein wenig angeranzt, lief aber entgegen der Befürchtungen der Veranstalter in der Mitte recht gut durch und bat neben den zu erwartenden Standards des Genres und bekannten Gesichtern wie Trude Herr, Ralf Wolter und Willy Millowitsch auch zahlreiche erfrischende Momente wie einen unerwartet deutlichen Akt der Vergangenheitsbewältigung.



Mit DELIZIA (Joe D'Amato, 1986) wurde dann noch eine echte Rarität kredenzt, die noch nie außerhalb Italiens zu sehen gewesen ist und extra für den Kongress mit englischen Untertiteln versehen wurde. Der junge Onanist Claudio staunt nicht schlecht, als seine wegen einer Erbschaft aus den USA angereiste Kusine sich als seine Lieblings-Wichsvorlage "Delight" entpuppt. Selbstverständlich ist er aber nicht der einzige, der ihr an die Wäsche will. Leider war meine Aufnahmefähigkeit da schon etwas hinüber, so daß die Kurven von Tinì Cansino mich nur so gerade eben wachhalten konnten - dennoch schön, auch diesen D'Amato mal auf der großen Leinwand gesehen haben zu können! Mit den nächsten Tagen geht es in den nächsten Tagen weiter.

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Freitag, 30. Dezember 2016
Blóðrautt sólarlag
The Crimson Sunset, Island 1977, Regie: Hrafn Gunnlaugsson



Die beiden Freunde Helgi und Dóri wollen ihren Sommerurlaub fernab ihrer Ehefrauen in einem verlassenem Fischerdorf verbringen. Der Bootsmann bei der Überfahrt erinnert Dóri aber stark an ein unschönes Erlebnis aus seiner Kindheit - zudem wurde auch der Leichnam des letzten Bewohners des Ortes, der "zurückgebliebene" Sohn einer exzentrischen Einsiedlerin, nie gefunden. Als die beiden sich bereits am ersten Tag hemmungslos besaufen, treten einige Probleme mit ihrer Wahrnehmung auf...



Nach Tilbury ein weiterer interessanter Fund aus Island. Zwar hat Blóðrautt sólarlag keine so abgefahrene Story zu bieten, aber dafür mit dem scheinbar authentischen verlassenem Fischerdorf eine großartige Location.



Die Ausgangssituation mit arroganten Städtern, die auf dem Land wie blöd rumsaufen und rumballern, erinnert ein wenig an John Boormans großartigen Deliverance, der Plot entwickelt sich dann aber eher in Richtung eines Psycho-Dramas, das viele Fragen offen lässt. Ja, da ist scheinbar noch eine dritte Person vor Ort, doch weder die Protagonisten noch die Zuschauer bekommen sie jemals eindeutig zu Gesicht.



Auch interessant, daß die Hauptfiguren hier Männer gestandenen Alters Anfang 50 sind, statt der für solche Prämissen eher üblichen Twens und Teenager. Will mal hoffen, daß noch mehr Isländisches Genre-Material (auch dieser Film war scheinbar eine TV-Produktion) mit verständlichen Untertiteln zum Vorschein kommt.



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Mittwoch, 3. August 2016
The Stick
Platoon Warrior, Südafrika 1988, Regie: Darrell Roodt



Da an einer bestimmten Stelle im Busch immer wieder Soldaten verschwinden, werden dort Rebellen vermutet und eine Einheit ausgesandt, diese ausfindig zu machen. Die Moral der aus verschiedensten Charakteren zusammengewürfelten Truppe ist von Anfang an nicht besonders hoch, als sie dann aber mit unerklärlichen Ereignissen konfrontiert werden führen Angst und Panik dazu, daß sie ein ganzes Dorf mit Frauen und Kindern massakrieren...



Es wurden ja schon einige Versuche unternommen, die Genres Kriegsfilm und Horrorfilm zu verbinden, aber nur die wenigsten davon konnten überzeugen. THE STICK hingegen nimmt einen schon recht bald gefangen, mit seiner drückenden Atmosphäre, die die Hitze und den sich aufschaukelnden Wahnsinn spürbar werden lässt und zu den beiden genannten Genres auch noch einen Schuß existenzialistisches Psycho-Drama hinzugibt. Und dann gibt es da noch eine Sequenz, die zu dem Gespenstischstem gehört, was ich in letzter Zeit gesehen habe.



Das damalige Apartheid-Regime mochte den Film aufgrund seiner Darstellung der Südafrikanischen Armee als ein von Dillettanten und Psychopathen durchsetzter Haufen freilich gar nicht leiden, und so konnte er in seinem Entstehungsland erst einige Jahre später aufgeführt werden. Darrell Roodt, der bereits 1986 den ersten Anti-Apartheids-Film Place of Weeping drehte, dürfte da eh nicht besonders gut gelitten gewesen sein. Seine weitere Karriere verlief erstaunlich heterogen, so drehte er 2004 sowohl das in Venedig preisgekrönte HIV-Drama Yesterday als auch Dracula 3000, den ich mir - unerschrocken wie ich bin - gleich auch mal besorgt habe.



Ein Grund, warum THE STICK als der einzigartige Film, der er ist, etwas unter dem Radar geblieben ist, dürfte seine Vermarktung via VHS unter dem Titel PLATOON WARRIOR sein, der dann auch etwa über das deutsche Cover eher ein Werk aus dem Bereich Söldner-Action versprach, was die Zielgruppe dann möglicherweise etwas verstörte.

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Donnerstag, 9. Juni 2016
Terza Visione #3 - Tag 3
Ui ui ui, das hat jetzt etwas länger gedauert, aber wäre ja albern, die Berichterstattung zum Festival unvollständig zu lassen, auch wenn es jetzt schon über 2 Monate her ist...



Beim Thema italienischer Genrefilm darf natürlich auch ein Western nicht fehlen, und so begann der Sonntag gut gelaunt mit dem äußerst kurzweiligen DREI PISTOLEN GEGEN CESARE (Enzo Peri, 1966). Die Konstellation der Figuren ist hier zwar klassisch ausgefallen, die Figuren selbst aber keineswegs: So kämpfen hier ein Typ mit Wunderknarre, ein Japaner und ein Hypnose-Franzose gegen einen Bösewicht, der einen Julius Cäsar-Fimmel hat und sein Wildwest-Heim entsprechend römisch ausgestattet hat. Spaß!



Dramatischer wurde es dann mit TRAVIATA '53 (Vittorio Cottafavi, 1953) und es war eine gute Entscheidung des Festivalteams, auch ein Melodram in den Kanon aufzunehmen: Diese Version der Kameliendame betört mit zahlreichen prächtigen Sequenzen und Bildern und zieht den Zuschauer gnadenlos in die tragische Geschichte hinein. Besonders bemerkenswert ein langer Gang der Protagonistin durch einen Zug. Wundervoll!



DANZA MACABRA (Antonio Margheriti, 1964) kannte ich bereits von DVD, aber für mich Gothic Horror-Junkie war es natürlich noch mal ein besonderes Erlebnis, diese ebenso schöne wie böse schwarze Perle auf der großen Leinwand von einer feinen 35mm-Kopie zu sehen. Prächtig auch die Einführung vom Kollegen Sano, der sich extra in ein Barbara Steele-Outfit geschmissen hatte.



Leider mußte auch dieses Festival irgendwann zu Ende gehen, das tat es aber auch prächtig mit NEW YORK RUNNER (Lucio Fulci, 1982) einem beeindruckenden Drama über einen Marathonläufer, der jeden Tag einer unheimlichen Ente begegnet. Schon länger nicht mehr gesehen, beeindruckte mich der Film bei dieser Sichtung vor allem durch seine zeitgenössisch-ranzigen New York-Bilder.

Das war ein hammergeiles Wochenende, an dem alles stimmte: Super-Filme, liebevolle Präsentation und ein ständig ausverkaufter Kinosaal voller netter Leute. Das möchte ich nicht noch einmal verpassen! Weitere Texte zum Festival von den wesentlich schnelleren und ausführlicheren Kollegen: Oliver, Udo, Mauritia, Thomas und irgendwen habe ich bestimmt vergessen.

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Donnerstag, 28. April 2016
Terza Visione #3 - Tag 2
Am Samstag dann erst mal bei feinem Sonnenschein Kaffee und Kippe am Ufer der Pegnitz, was so ein richtiger Filmbekloppter ist, den hält aber auch der erste Tag des Jahres im T-Shirt nicht davon ab, um 13 Uhr ins Kino zu rennen, vor allem wenn man ein Date mit Laura Antonelli hat.



MALIZIA (Salvatore Samperi, 1973) überzeugte dann auch auf ganzer Linie und sezierte die patriarchalische Gesellschaft mit bitterbösem, oft überraschend deftigem Witz. Neben Frau Antonelli war auch die Fotografie von betörender Schönheit.



Unschöner und ruppiger ging es in FANGO BOLLENTE (Vittorio Salerno, 1975) zur Sache: Als drei von ihrem monotonen Angestelltendasein gelangweilte Freunde im Streit einen LKW-Fahrer ermorden, entdecken sie ihre Lust am Bösem und den Adrenalinrausch. Mit Joe Dallessandro in der Hauptrolle rast der Film schnittig durch die Nacht und geizt dabei weder mit Schauwerten noch mit bitterer Sozialkritik.


Deutsche Erstaufführung nach 44 Jahren. (Screenshot: Christine Winzen)

Die Filme des Festivals sind allesamt äußerst selten auf der großen Leinwand auf 35mm zu bestaunen, doch nun folgte eine absolute Rarität: In einer privaten Sammlung entdeckte Kurator Christoph Draxtra mit CRISTIANA MONACA INDEMONIATA (Sergio Bergonzelli, 1972) einen seiner Lieblingsfilme und liess es sich nicht nehmen, die stark beschädigte und vom Essigsyndrom gezeichnete Kopie in stundenlanger Arbeit mühevoll zu restaurieren - dem noch nicht genug, wurden auch noch deutsche Untertitel für den Film angefertigt. Das kann man mal Filmliebhaber nennen! Und die Mühe hat sich gelohnt: Ohne Hemmungen schichtet Bergonzelli verschiedenste Genres übereinander, daß es eine Freude ist, und auch was Bilder, Dialoge und Musik betrifft, gibt es hier keinerlei Zurückhaltung. Geil.


Stinky Pete, Oliver Nödings Vetter aus San Francisco, führte uns in die Welt des LSD ein. (Foto: Christine Winzen)

Nach diesem Trip wurde dann aber gleich der nächste eingeschmissen: LSD - PARADIES FÜR 5 DOLLAR (Giuseppe Maria Scotese, 1967/68) klärt über die Droge auf, die "genauso gefährlich wie die Atombombe" ist und garniert die Kolportage mit kleinen Episoden über Einzelschicksale in New York, und das immens unterhaltsam und bewußtseinserweiternd. Besonders amüsant auch hier wieder die zeitgenössische deutsche Synchronisation, die "Trip" konsequent mit "Reise" übersetzte und zahlreiche weitere Ungeheuerlichkeiten bot. Paradies für 5 Euro.

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