Samstag, 15. Januar 2011
Bübchen
Deutschland 1968, Regie: Roland Klick



"Junge, du bist ja ganz woanders!"



Zwei benachbarte Ehepaare in einer Hamburger Wohngegend wollen auf eine Feier, also passt die Teenager-Tochter Monika der einen auf die jüngeren Kinder der anderen auf. Diese hat aber ein Rendezvous mit ihrem Freund Klaas und fährt mit diesem mal eben weg. Bübchen Achim geht mit dem Katrinchen, seiner kleinen Schwester in den Garten, und erstickt sie anschließend im Schuppen mit einer Plastiktüte. Den Leichnam packt er in seinen Bollerwagen und zieht damit zu seinem Lieblingsort, dem Schrottplatz...



Diese an sich unfassbare Geschichte bekommen wir in einem lakonischen, beinah dokumentarischem Ton serviert, der auf sämtliche Plattheiten und Pathos verzichtet. Genauso beängstigend wie die Handlung ist aber der Umstand, wie echt das hier alles wirkt, was nicht nur den hervorragenden Darstellern, sondern vor allem der genauen Beobachtungsgabe bei der Entwicklung der Figuren geschuldet ist. Nachbar Erich (Hubert Suschka) ist zum Beispiel genau diese Sorte bigottes Arschloch, der ich persönlich schon mehrfach begegnet bin und von denen es geschätzte 20 Millionen auf der Welt gibt. Zwar läßt der Film nach dem beeindruckendem ersten Drittel zunächst ein wenig nach, als es darum geht, das Verschwinden Katrinches aufzuklären, nimmt aber am Schluß einige unvorhersehbare Wendungen, die die lakonische Stimmung fortführen. Unbezahlbar auch die von Robert van Ackerens Kamera festgehaltenen Stimmungsbilder einer vergangenen Zeit – meine Kindheit fand zwar ein paar Jahre später statt, aber es sah alles noch ziemlich ähnlich aus: Die Inneneinrichtung, die Autos, die Pullover, die Einfamilienhäuser, die Brachen...viel ist davon mittlerweile nicht mehr übrig.

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Dienstag, 11. Januar 2011
Étoile
Italien 1988, Regie: Peter Del Monte



Die amerikanische Ballerina Claire (Jennifer Connelly) reist nach Budapest, um bei einer Audition vorzutanzen. Diese läßt sie aber ängstlich sausen, um bei der Flucht im Keller des Gebäudes eine alte Bühne vorzufinden, auf der sie ein paar Schritte macht. Dabei wird sie von einem merkwürdigen alten Mann beobachtet, der meint, seine verstorbene Geliebte vor sich zu haben. Es häufen sich rätselhafte Vorfälle – die junge Frau wird so lange für eine andere Frau namens Natalie Horvath gehalten, bis sie schließlich glaubt, diese zu sein und von dem alten Choreographen für die Hauptrolle in Schwanensee besetzt wird...



War irgendwie völlig an mir vorbeigegangen, daß Jennifer Connelly neben Phenomena in den 80ern noch in einer weiteren italienischen Genreproduktion aufgetreten ist. Wie es der Zufall so will, taucht diese zu einem Zeitpunkt wieder auf, an dem Darren Aronofsky mit Black Swan eine sehr ähnliche Geschichte ins Kino bringt. Die Connelly war auch im bislang besten Aronofsky, Requiem for a Dream, und da schließt sich dann wieder der Kreis. Der Film an sich ist leider ein Feuerwerk an verpaßten Gelegenheiten: Bezaubernde Hauptdarstellerin, tolle Locations und teilweise atemberaubend schöne Innendekors, aber schön allein reicht auch nicht. Étoile schafft es nur an ganz wenigen Momenten, Spannung oder Atmosphäre aufkommen zu lassen, was hauptsächlich am nicht wirklich durchdachten Drehbuch liegt – die Verwandlung Claires erfolgt viel zu schnell, da kann auch Jenny nichts mehr retten, und hat das Finale auch ein paar hübsche Ideen parat, die den Film zunehmend ins Irreale gleiten lassen, spart es auch nicht an Blödheiten. (Spoiler: Wo kommt plötzlich der schwarze Riesenschwan her? Seid ihr bescheuert?) Gegen die Kameraführung kann man nichts haben, aber die Musik von Jürgen "Lindenstraße" Knieper bringt, wenn gerade kein Tschaikowski erklingt, auch immer nur das gleiche romantische Thema, das zwar hübsch ist, aber irgendwann stört, wenn es auch für die Spannungsszenen herhalten muß. Schade drum, hier wäre einiges mehr dringewesen.

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Montag, 10. Januar 2011
Osobisty pamietnik grzesznika przez niego samego spisany
Memoirs of a Sinner, Polen 1986, Regie: Wojciech Has



Als Soldaten ein Grab öffnen, wollen sie eigentlich nur ein mitbegrabenes Manuskript an sich nehmen, der Leichnam besteht aber darauf, seine Lebensgeschichte selber zu erzählen. Robert wird im Sinne seiner streng religiösen Mutter erzogen, aber eines Tages erscheint ihm ein Doppelgänger, der ihm versichert, von Gott geschickt worden zu sein. Bald erteilt er dem jungen Mann einen ersten Auftrag: Er soll seinen Bruder Gustav, der ständig säuft und herumhurt, ermorden...



Lange Zeit habe ich nach diesem seltenen Has-Film gesucht, jetzt ist er glücklicherweise in Frankreich auf DVD erschienen - das war eine gute Tat! Schon in der Eingangssequenz sorgen die famose Fotografie und Jerzy Maksymiuks Musik für eine einzigartige gespenstische Atmosphäre.



Die Vorlage von James Hogg gibt allerdings nicht ganz so viele bizarre Ideen und Details her wie die Vorlagen für die eindrucksvollsten Filme des Regisseurs, Die Handschrift von Saragossa (Franciszek "Pasheko" Pieczka ist als versoffener Vater Roberts auch hier wieder dabei) und Das Sanatorium zur Todesanzeige. Auch die das Buch ein wenig beschwerlich machenden Ausflüge in theologische und philosophische Gefilde sorgen in der Mitte des Films dafür, daß ein paar Längen aufkommen. Diese sind aber schnell vergessen, wenn der Protagonist gegen Ende hin vollkommen in den Wahnsinn absteigt - wie hier Beleuchtung, Kamerafahrten und Musik zusammenspielen und den Zuschauer in ein merkwürdiges Zwischenreich katapultieren, ist wahrlich meisterhaft.

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