Donnerstag, 23. Oktober 2014
Sleepwalker
GB 1984, Regie: Saxon Logan



Marion und Alex haben ein abgelegenes altes Haus in der Provinz geerbt und gehen sich dort hauptsächlich auf die Nerven. Als Marions Freundin Angela mit ihrem Gatten Richard die beiden besucht, eskaliert die Situation in einem Restaurant, denn der in der Videobranche zu Geld gekommene Richard ist das genaue Gegenteil des linken Intellektuellen Alex. Noch unangenehmer wird es, als die reichlich beschwipste Marion erzählt, daß Alex ein Schlafwandler ist und sie einst im somnambulen Zustand erwürgen wollte...



Saxon Logan kam unter den Fittichen seines Idols Lindsay Anderson zum Filmgeschäft und lieferte hiermit nach zwei Kurzfilmen seine erste längere Arbeit als Regisseur ab. Sleepwalker ist eine allegorische Abrechnung mit der Ignoranz der Mittelklasse während der Thatcher-Ära und benutzt dazu Stilmittel des Horrorfilms, vom James Whale-Klassiker The Old Dark House über die Hammer-Horrorfilme bis zum Giallo-Kino eines Mario Bava oder Dario Argento. Ein eigenwilliges Konzept, das aber durchaus aufgeht: Die Figur des Richard ist zwar ein wenig zu sehr auf das Klischee des rücksichtslosen Kapitalisten gebürstet, liefert aber den nötigen Gegenpart für eine grandiose Performance von Bill Douglas (Alex), der hauptsächlich als Regisseur einer Trilogie über seine Kindheit in Schottland bekannt ist (die ich mir bald auch anschauen werde), aber auch als Schauspieler über ein enormes Charisma verfügt. Vor allem aber überzeugt der Film auf der visuellen Ebene, trotz minimalem Budget und einer Drehzeit von nur 5 Tagen sieht hier jede Einstellung verdammt großartig aus.



Ebenso bemerkenswert wie der Film selbst ist auch seine Rezeptionsgeschichte: Bei seiner Uraufführung im Rahmen der Berlinale wurde er mit großer Begeisterung aufgenommen, als Saxon Logan mit dem Gefühl, er könnte jetzt den Durchbruch schaffen, nach England zurückkehrte und den Film dort den Verleihern vorführte, fand aber niemand Interesse daran, vielmehr wurde der Regisseur angeschnauzt, warum er mit so einem Mist ihre wertvolle Zeit vergeudet hätte. So landete der Film in der Abstellkammer und Saxon wandte dem Spielfilm den Rücken zu und drehte Dokumentationen oder arbeitete als Cutter. 17 Jahre später recherchierte Darrell Buxton für sein Web-Projekt Pass The Marmalade nach obskuren britischen Horrorfilmen und fand ein kurzes Review des Films aus der Feder des umtriebigen Kim Newman, welches er aber für einen Hoax hielt. Ein Freund von Saxon Logan fand den Text im Netz, informierte den Regisseur, und bald darauf wurde die Kopie aus der Abstellkammer geholt und u.a. auf dem Festival of Fantastic Films in Manchester vor einem begeisterten Publikum gezeigt. Späte Gerechtigkeit.



Seit 2013 gibt es den Film auch als DVD/BluRay in der ambitionierten "Flipside"-Reihe des British Film Institute. Neben dem Film sind auf der Scheibe auch Saxon Logans bemerkenswerte frühe Kurzfilme aus den 70ern, ein ausführliches, streckenweise verdammt rührendes Interview mit dem Regisseur, sowie der großartige, hier bereits lobend erwähnte The Insomniac von Rodney Giesler enthalten. Das ist eine vortreffliche Investition, lieber Leser, und kostet momentan nicht mal viel.

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Mittwoch, 1. Oktober 2014
Franz Rottensteiner (Hrsg.): Viktorianische Gespenstergeschichten
Klassische Geistergeschichten laufen bei mir ja immer gut rein, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis ich mir diese Sammlung aus einer der wohl fruchtbarsten Perioden des Genres vornehmen würde. Neben Charles Dickens, Joseph Sheridan Le Fanu und Edith Nesbit sind hier hauptsächlich heutzutage eher vergessene Namen versammelt, wobei interessanterweise weibliche Schriftsteller deutlich dominieren. Von einer Dame stammt auch meine Lieblingsgeschichte der Anthologie, "Die Nase" von Rhoda Broughton, die zunächst leicht und humorvoll vom Urlaub eines verliebten Paares berichtet, dann aber einige bittere Wendungen nimmt mit unvorhersehbaren Eingriffen des unerklärlichen Grauens. Aber auch die restlichen Erzählungen des Bandes können überzeugen, eine vorzügliche Sammlung teils sehr unbekannter Geschichten.



Daher kann ich auch eine Kritik des Buches, die ich kurz nach Erscheinen 1988 irgendwo gelesen hatte, im Nachhinein erst recht nicht verstehen, dort wurde beklagt, daß man sich in der "Phantastischen Bibliothek" bei Suhrkamp nichts mehr traut und statt aktueller Autoren günstigen, da aufgrund des Alters rechtefreien Texten den Vorzug gibt. Auch wenn einige der hier versammelten Werke schon anderweitig erschienen sein mögen, gab es viele davon vorher nicht in deutscher Übersetzung, wie ich auch Verständnis dafür habe, daß aufgrund des Nischencharakters vieler Bände aus der "Phantastischen Bibliothek" hier auch mal bewußt Kosten eingespart wurden. Vor einigen Jahren wurde die Reihe vermutlich wegen zu niedrigen Verkaufszahlen ja komplett eingestellt, was schon ein herber Verlust für die Liebhaber anspruchsvoller Phantastik in Deutschland war - ich könnte jetzt keine andere Reihe nennen, in der eine so hohe Anzahl persönlicher Lieblingsbücher erschienen sind.

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Donnerstag, 18. September 2014
La casa del fin de los tiempos
The House at the End of Time, Venezuela 2013, Regie: Alejandro Hidalgo



Dulce wird für den Tod ihres Mannes und das Verschwinden ihres Sohnes verantwortlich gemacht. Sie beteuert zwar "das Haus" sei schuld, doch auf der Tatwaffe finden sich ihre Fingerabdrücke. Nach 30 Jahren im Gefängnis kann sie den Rest ihrer Strafe per "Hausarrest" absitzen. Das Haus selbst ist aber immer noch nicht geheuer...



So, endlich auch mal einen Film aus Venezuela gesehen, und es hat sich gelohnt: Der Film fügt dem Geisterhaus-Motiv eine originelle Variante hinzu und erinnert dadurch an den ebenfalls aus Südamerika stammenden und auf dem FFF gezeigten Das verborgene Gesicht. Die Idee ist freilich eine ganz andere, also war dieser Vergleich keinesfalls ein Spoiler. Neben der cleveren Konstruktion liefert der Film gleichzeitig noch ein glaubwürdig gespieltes Familiendrama und die reife Ruddy Rodriguez in der Hauptrolle ist auch eine willkommene Abwechslung zu den hübschen Twentysomethings, die man meistens in derlei Filmen vorgesetzt bekommt. Empfehlung!



Sonst noch am Montag auf dem Fantasy Filmfest in Köln gesehen: The Brotherhood of Tears, De Behandeling und The Voices.

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