Mittwoch, 29. Juni 2011
Eugen Egner: Schmutz
Ich hinke ein wenig hinterher mit den Büchern meines derzeitigen deutschen Lieblingserzählers, das hängt wohl auch damit zusammen, daß ich häufig dazu tendiere, mir die besonders leckeren Pralinen noch eine Weile aufzuheben und nicht direkt zu verschlingen. Auch hier (vgl. meinen Eintrag zu Nach Hause) würde ich gerne einige der Geschichten sofort verfilmen, wenn ich könnte. "Schnee" stelle ich mir dabei besonders hübsch im Gewand eines japanischen Geisterfilms aus den 60er Jahren vor. Aber auch die anderen Erzählungen sind große Klasse: Egner verwendet als Ausgangssituation meist nüchterne Bestandsaufnahmen des drögen, alltäglichen deutschen Lebens, die unerwartet zunächst ins Groteske, dann aber schlußendlich ins absolut Grauenvolle hinüberkippen. Die Texte funktionieren auch deshalb so gut, weil der Autor über eine scharfsinnige Beobachtungsgabe des Alltagslebens, zahlreiche wundervoll abseitige Ideen und einen bemerkenswert ambivalenten Stil verfügt, der es dem Leser überlässt, wie ernst er das alles zu nehmen hat. Das ist wohl die Zukunft der deutschen Horror-Literatur, wenn nicht sogar der ganzen Welt.

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