Donnerstag, 9. Januar 2014
In den Krallen des Hofbauer-Kommandos: Die 2. Nacht


Der zweite Tag des Kongresses führte uns nach Fürth, wo uns DIE ERNTE DER SÜNDIGEN MÄDCHEN (Frankreich/Italien 1961, Regie: Louis Soulanes) erwartete: Vom eisigen Winterwind wurden wir direkt in die trockene Schwüle der sommerlichen Pfirsichernte verweht: Die Männer fahren die Laster und stapeln die Kisten, die Frauen pflücken die Früchte und füllen die Kisten. Die Stimmung knistert und ist gereizt in den Baracken mitten im Nirgendwo, dem vorbildlichen Proletarier Armand und der reinen Josine stehen der ausbeuterische Chef nebst verkommenem Sohn und die erotisch tickende Zeitbombe Kissa (Scilla Gabel) gegenüber. Letztere ist streng genommen eher eine Nebenfigur, reißt aber durch ihre Präsenz jede Szene an sich und versext sie total. Dabei ist ihre Figur nur anfänglich das klischeehafte "Luder", und erweist sich im Verlauf der Handlung als "feiner Kerl" mit Charakterstärke. Wunderbar. Es folgte BARBARA (USA 1971, Regie: Walter Burns), in einer auf 40 Minuten getrimmten Version des ursprünglich abendfüllenden Films: Hippies ficken am Strand, während auf der Tonspur eine Diskussion über Zensur zu hören ist. Der Sex findet bald in unerwarteten Konstellationen statt und eine Kollage von Nixonbildern wird eingeschnitten. Der Film hatte einige tolle, unvorhersehbare Ideen, fiel aber leider auch immer wieder in die typisch überdeutliche Symbolik des politischen Studentenkinos zurück.



Symbolik gab es auch in DAS PARADIES (Frankreich 1971, Regie: Jacques Scandelari) nicht zu knapp: Ich habe "La philosophie dans le boudoir" vom Marquis de Sade nicht gelesen, aber der Film scheint die Vorlage wohl eher nur als Inspiration zu verwenden, um möglichst stylish herumzusauen. Französische Erotikfilme der 70er mit Gothic Horror-Anwandlungen haben mir bislang wegen der stimmungsvollen Atmosphäre und den hübschen Wäldern fast immer gefallen, hier geht man am Anfang allerdings leider etwas zu exaltiert vor und das Ende erscheint auch etwas unnötig in die Länge gezogen. Dennoch zahlreiche tolle Sequenzen: Die Verfolgungsjagden, der Tiermensch und last but not least die Dame, die mit Hilfe von Meeresbewohnern masturbiert. Das kann man sich schon mal ankucken. Wem das alles etwas zu viel war, der wurde durch den possierlichen Kurzfilm SKATERDATER (USA 1966, Regie: Noel Black) wieder etwas geerdet: Eine Gruppe von jungen Skatern rollt durch kalifornische Straßen und sorgt für Mißmut der erwachsenen Bevölkerung; einer davon verliebt sich in ein Mädchen mit Fahrrad und steht vor der Wahl, ihr oder seiner angestammten Gruppe zu folgen. Sehr hübsch. Im Anschluß läuteten die Glocken für den mit Spannung erwarteten "tristen Überraschungsfilm" des Kongresses. Dieser entpuppte sich als MYSTERIEN DER PORNOGRAPHIE (USA 1969, Regie: Alexander Maxwell), in der ein Pfeife rauchender Bart den Zuschauer mit in die "Unterwelt des Sex" nahm, wie sie sich in zahlreichen Kleinanzeigen anbietet. Der aufklärerische Gestus kommt unserem Erzähler aber zuweilen abhanden, sieht man doch, daß er sichtlich Spaß daran hat, an einer Swingerparty teilzunehmen, ein Nacktmodell zum Fotografieren zu mieten oder sich von einer nackten Chinesin massieren zu lassen. Wundervoll, wie der Film sein eigenes Format aufs Korn nimmt, denn schlußendlich geht es ja doch nur darum, nackte Frauen zu zeigen, denn nackte Frauen sieht man gern. Es folgte eine erneut fulminante Trailershow, von der mir DAS GEHEIMNIS VON SCHLOSS MONTE CHRISTO die meiste Freude bereitet hat.



Da betritt plötzlich mitten in der Nacht eine Nonne den Kinosaal - nein, es ist Silvia, die sich vor der Vorführung von DIE KLOSTERSCHÜLERINNEN (Deutschland 1972, Regie: Eberhard Schröder) stilecht umgezogen hat. Auch solche Dinge passieren beim Kongress! Der Film vermag dann auch zu begeistern, im Unterschied zu anderen deutschen Sexfilmen der Zeit fühlt man hier jederzeit Empathie für die Figuren und es ist ebenfalls bemerkenswert, daß einige Erzählstränge der Episodenstruktur nicht zum üblichen "sauberen Abschluß" kommen, sondern merkwürdig in der Luft hängen bleiben. Schön gefilmt ist das Ganze auch noch. Toll! Auf der Rückfahrt bekomme ich die verantwortungsvolle Aufgabe, die Spule mit der Klosterschülerinnen-Kopie auf dem Rücksitz festzuhalten, damit sich während der Fahrt nichts verbiegt. Schön, damit auch etwas zum Gelingen des Kongresses beigetragen haben zu können!

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