Donnerstag, 15. Januar 2015
14. Hofbauer-Kongress: Die 2. Nacht
Der Kongress-Samstag findet traditionellerweise im Uferpalast im benachbarten Fürth statt, und nach einem verregneten Tag war man froh, immerhin das Kino trockenen Fußes erreichen zu können. Die gute Laune steigerte sich ins Unermeßliche, als man auf der Leinwand dann auf MILKMAN FRANKIE (Japan 1956, Regie: Kô Nakahira) traf: Die Geschichte um ein nicht besonders kluges, aber mit einem Herzen aus Gold ausgestattetem Landei, das sich in der großen Stadt als Milchmann verdingen muß, um den Betrieb der Tante zu retten, hatte alles, was für mich eine gelungene Komödie ausmacht: Liebenswert ausgearbeitete Figuren, zahlreiche Nebengags mit liebevollen Details und ein gutes Maß an Slapstick. Der erste Lieblingsfilm des Kongresses, und als man anschließend zum Rauchen in den Schneeregen heraustrat, ahnte ich noch nicht, daß der zweite direkt darauf folgen würde.



Ähnlich wie das Plakat, füllt Heinrich George auch den ganzen Film SCHLEPPZUG M 17 (Deutschland 1933, Regie: Heinrich George, Werner Hochbaum) mit seiner enormen physischen Präsenz aus. Er gibt den Schiffer Henner, der mit seiner Familie nach Berlin schippert, wo er der Gangsterbraut Gescha erliegt. Henner stampft über die Gefühle seiner Familie hinweg wie nur nichts, aber als Familienoberhaupt kann man sich das schon erlauben, ein bißchen leid tut's ihm ja schon. Melodramatik bis zum Anschlag mit tollen Bildern des Berlins von 1933. Aus dem Kinosaal heraustaumelnd, sah man sich plötzlich mit einer dicken Schneedecke konfrontiert. Es ward eh eine Pause angesagt und so stärkte man sich nicht mit, sondern bei einem hervorragendem Afghanen.



Mit DIE STRANDBIENE (Dänemark 1966, Regie: Knud Leif Thomsen) gab es dann eine ziemliche Überraschung, denn statt der erwarteten Sexkomödie schwenkte der Film recht bald zu einem reichlich gesellschaftskritischen und existentialistischen Drama um, dessen Figurenkonstellation an Pasolinis allerdings erst 2 Jahre später entstandenen Teorema erinnerte. Der aufmüpfige Per, der hier die Werte einer nur vordergründig gutbürgerlichen Familie durcheinanderrüttelt, ging mir mit zunehmender Laufzeit zwar etwas auf die Nerven, aber das war wohl im Sinne des Erfinders. Bemerkenswerte Performance von Søren Strømberg auf jeden Fall. Die Szene, in der er diversen Familienmitglieder Pornofilme vorführt, erinnerte mich dann an eins der Highlights des 12. Hofbauer-Kongresses, ...soviel nackte Zärtlichkeit - während man sich dort aus den erstaunten Blicken der Zuschauerin die unerhörten projizierten Bilder selbst ausmalen konnte, wurden sie hier von einem fetten weißem X unkenntlich gemacht, das wohl auch bereits in der dänischen Originalversion vorhanden und keine Idee der deutschen Zensurbehörde war.



Anschließend verschlug es uns mit einigen amerikanischen Soldaten auf die INSEL DER UNBERÜHRTEN FRAUEN (USA 1952, Regie: W. Merle Connell). Überm Pazifik abgeschossen, erreichen unsere Helden via Schlauchboot eine unbekannte Insel, die von ausschließlich weiblichen Nachfahren der Druiden bewohnt wird. Ihr Verhältnis Männern gegenüber ist äußerst ambivalent, und als die Anführerin unsere Jungens heimlich freilässt, macht sie das mit dem Hintergedanken, daß diese von den Riesenviechern, die einen anderen Teil der Insel bewohnen, verspeist werden würden. Herrlich naives 50s-Low Budget-Kino mit zahlreichen liebenswerten Details in Dialogen und Spezialeffekten. Interpretationen, warum aus den "ungezähmten" Frauen des Originaltitels in der deutschen Fassung "unberührte" Frauen geworden sind, sind beim Amt für Resozialisierung von prähistorischen Monstren (3. Stock, Zimmer 12) abzugeben.

Abgeschlossen wurde der Abend von INTIME LIEBSCHAFTEN (Deutschland 1980, Regie: Hans Billian), den wir im Rahmen unserer eigenen 35mm-Reihe in Aachen schon mal gezeigt hatten, und dessen detaillierte Beschreibung bundesdeutscher Wohnungseinrichtungen der Entstehungszeit auch bei der zweiten Sichtung überzeugen konnte, ebenso wie das Timing des Regisseurs, der das Gebumse nicht allzu fad werden liess. Etwas melancholisch wurde ich bei dem Gedanken, daß die 2 Euro-Münze das hier in einer Szene prominent eingesetzte gute alte 5 Mark-Stück nicht wirklich ersetzen kann.

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