Donnerstag, 27. März 2014
Oscar A. H. Schmitz: Haschisch
Man könnte ja meinen, daß es kein gutes Urteil über ein Buch ist, wenn sich am Schluß herausstellt, daß das Vorwort das Beste ist. Das liegt hier aber keinesfalls daran, daß der Inhalt schlecht wäre, das Vorwort ist einfach nur sehr erstaunlich. Verfasst für eine Neuauflage des Buches im Jahr 1913 gibt der Autor zu bedenken, daß er die enthaltenen Erzählungen zwischen 1897 und 1900 verfasst hat, also "lange bevor der Satanismus in Deutschland Mode war". Er rechtfertigt sich anschließend gegen Angriffe, seine Kunst würde gegen Religion und Sittlichkeit verstoßen. Es sei ja auch nur für gebildete, erwachsene Männer gedacht, weder für Kinder, noch für Frauen - man könnte es höchstens der Geliebten, "deren Los ist, außerhalb der Schranken der gesellschaftlicher Moral in wilder Anmut zu blühen, auf den Toilettentisch legen." Für Schwestern, Töchter und Ehefrauen ist das Buch hingegen überhaupt nicht geeignet.



Selbstverständlich teile ich diese Aussagen nicht, aber der Stil, in dem diese 100 Jahre alte Einstellung vorgetragen werden, ist höchst amüsant. Mein Blog darf freilich auch weiterhin von jungen Frauen gelesen werden, sollte es sogar! Nun aber zu den Erzählungen selbst: Es handelt sich nicht um Drogenliteratur per se, der Titel beschreibt mehr oder weniger nur den Rahmen, einen Haschischclub, in dem die verschiedenen Mitglieder Geschichten aus unterschiedlichen Jahrhunderten erzählen, die oft Erotik mit blasphemischen Ritualen verbinden, aber manchmal auch nur von seltsamen, rauschähnlichen Begebenheiten berichten. Besonders gut gefielen mir "Die Geliebte des Teufels", die eine anonyme Sex-Beziehung zwischen Unbekannten schildert, die ihre Gesichter nicht kennen und gegenseitig ihre Fantasien auf den Körper des anderen projizieren, sowie "Die Botschaft" und "Der Schmugglersteig", deren rätselhafte Ereignisse angenehm offen und ambivalent bleiben. Alle Schwestern, Töchter und Ehefrauen, die etwas für die Dekadenzliteratur des frühen 20. Jahrhundert übrig haben, sollten hier ruhig mal einen Blick hineinwerfen. Erwachsene Männer meinetwegen auch.

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Sehr interessante Rezension und sehr interessantes Buch. Hört sich ausgesprochen dekadent und verrucht an.

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