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Freitag, 10. Januar 2014
In den Krallen des Hofbauer-Kommandos: Die 3. Nacht
hypnosemaschinen, 00:37h

Vor offiziellem Beginn des Programms wurde dem geneigten Besucher die Möglichkeit gegeben, noch einmal den Überraschungshit des 10. Kongresses, DER PERSER UND DIE SCHWEDIN (England/Schweden 1961, Regie: Akramzadeh) zu sehen, der bei seiner ersten Aufführung im Sommer noch vollkommen obskur war - nicht einmal ein IMDB-Eintrag lag vor - aber das Publikum vehement verzückte. Der einzige Film des Exil-Iraners, der hier auch das Drehbuch und die Hauptrolle übernahm, berichtet vom Medizinstudenten Mustafa, der sich in London allerdings mehr für Mädchen als sein Studium interessiert. Die Leichtigkeit der ersten Hälfte incl. einiger Tanzdarbietungen in einschlägigen Lokalen in Soho wandelt sich in Richtung Melodram, als die titelgebende Schwedin schwanger wird und Mustafa wegen einer verpatzten Prüfung zurück in die Heimat muß, da die Familiengelder ausbleiben. Ein äußerst charmanter und liebevoller Film, der trotz - oder gerade wegen - seiner eingeschränkten Mittel seine Figuren und Geschichte ernst nimmt, ohne dabei an Leichtigkeit zu verlieren.

Mit COVER GIRLS (Italien/Frankreich 1964, Regie: José Bénazéraf) gab es den zweiten Film des marokkanisch-französichen Erotikfilm-Auteurs im Rahmen des Kongresses zu sehen und hier stand dem Regisseur wohl das höchste Budget seiner Karriere zur Verfügung. Und das sieht man dem Film auch an: Prächtigst komponierte Bilder von Anfang bis Ende, die die schönen bis wunderschönen Protagonistinnen in Natur und Architektur einbetten. Der Handlungsverlauf ist dabei etwas fragmentarisch, die Ausgangssituation, in der meta-mäßig ein Fernsehteam einen bekannten Regisseur zu seinem neuem Film befragt, wird nur sporadisch wieder aufgegriffen, stattdessen gibt sich der Film dem Fluss der Bilder hin und erlaubt dem Zuschauer, es ihm gleichzutun. Ganz toll! Es folgte der kurze "Kulturfilm" FARBIGE LIEBELEI (Deutschland 1956, Regie: Kurt Baum), der farbenprächtig das Hochzeitsritual eines südafrikanischen Stammes dokumentierte, und dann wurde es schmutzig. Soviel geballte menschliche Niedertracht wie in QUELLE DER EROTIK (Brasilien 1965, Regie: J.P. de Carvalho) habe auch ich nur selten zu sehen bekommen. Der Angestellte Edgar bekommt von seinem dickwanstigem Chef das Angebot, seine Tochter zu heiraten, da diese nach einer Gruppenvergewaltigung nicht mehr "herkömmlich zu verheiraten sei". Ein großzügiger Scheck soll ihm bei der Entscheidung helfen. Edgar ist allerdings in seine Nachbarin verliebt, deren minderjährige Schwestern wiederum von einem Zuhälter einer Party des Chefs zugespielt werden sollen, damit sie dort entjungfert und vergewaltigt werden können. Der Zynismus der Handlung wird von der flapsigen deutschen Synchronisation noch verstärkt - vom heutigen Standpunkt her gesehen erst recht unfassbar, daß so ein Film einst in deutschen Kinos lief, aber das sagt auch viel über die Entwicklung der Auswertung nicht nur hierzulande aus.

Danach war Zeit für etwas leichtes, unschuldiges und das wurde uns mit DIE LIEBESQUELLE (Österreich 1966, Regie: Ernst Hofbauer) des Kongress-Namenspatrons serviert. Die Mischung aus Heimatfilm und Sexkomödie spielt im diffusen "Norden des Landes" (Norddeutschland kann nicht gemeint sein, denn dafür gab es zuviel Bergpanorama im Hintergrund), in dem ein kleiner Ort mittels der Legende einer "Liebesquelle", die den Männern Potenz und den Frauen ewige Schönheit verspricht, den Tourismus anzukurbeln versucht. Bekannte Gesichter wie Hans-Jürgen Bäumler, Sieghardt Rupp und Eddi Arent führen durch diesen Schwank, der trotz teilweise etwas plattem Schenkelklopfer-Humors für gute Laune sorgte. Alsdann stand der "stählerne Überraschungsfilm" auf dem Programm, der sich als ANATOMIE DES LIEBESAKTES (Deutschland 1971, Regie: Hermann Schnell) herausstellte: Von einer ellenlangen Texttafel eingeleitet, folgte alsbald ein vom Bolero untermalter ellenlanger Liebesakt eines aseptischen Paares und meine Augen weiteten sich ein wenig in Grauen. Dann aber schwenkt der Film zu der Praxis eines Sexualwissenschaftlers, dem das nun angezogene Paar einige Fragen stellt. Im weiteren Verlauf werden dann sämtliche Stellungen vorgestellt und mit Grafiken verdeutlicht, welche Stimulationen dabei stattfinden. Das hatte in all seiner deutschen Staubtrockenheit schon eine gewisse Faszination. Zur Sicherheit kopierte der Vorführer zwischen zwei Akte noch den Trailer eines anderen Films, nach dem der ganze Kinosaal garantiert wieder wach wurde.
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Donnerstag, 9. Januar 2014
In den Krallen des Hofbauer-Kommandos: Die 2. Nacht
hypnosemaschinen, 00:17h

Der zweite Tag des Kongresses führte uns nach Fürth, wo uns DIE ERNTE DER SÜNDIGEN MÄDCHEN (Frankreich/Italien 1961, Regie: Louis Soulanes) erwartete: Vom eisigen Winterwind wurden wir direkt in die trockene Schwüle der sommerlichen Pfirsichernte verweht: Die Männer fahren die Laster und stapeln die Kisten, die Frauen pflücken die Früchte und füllen die Kisten. Die Stimmung knistert und ist gereizt in den Baracken mitten im Nirgendwo, dem vorbildlichen Proletarier Armand und der reinen Josine stehen der ausbeuterische Chef nebst verkommenem Sohn und die erotisch tickende Zeitbombe Kissa (Scilla Gabel) gegenüber. Letztere ist streng genommen eher eine Nebenfigur, reißt aber durch ihre Präsenz jede Szene an sich und versext sie total. Dabei ist ihre Figur nur anfänglich das klischeehafte "Luder", und erweist sich im Verlauf der Handlung als "feiner Kerl" mit Charakterstärke. Wunderbar. Es folgte BARBARA (USA 1971, Regie: Walter Burns), in einer auf 40 Minuten getrimmten Version des ursprünglich abendfüllenden Films: Hippies ficken am Strand, während auf der Tonspur eine Diskussion über Zensur zu hören ist. Der Sex findet bald in unerwarteten Konstellationen statt und eine Kollage von Nixonbildern wird eingeschnitten. Der Film hatte einige tolle, unvorhersehbare Ideen, fiel aber leider auch immer wieder in die typisch überdeutliche Symbolik des politischen Studentenkinos zurück.

Symbolik gab es auch in DAS PARADIES (Frankreich 1971, Regie: Jacques Scandelari) nicht zu knapp: Ich habe "La philosophie dans le boudoir" vom Marquis de Sade nicht gelesen, aber der Film scheint die Vorlage wohl eher nur als Inspiration zu verwenden, um möglichst stylish herumzusauen. Französische Erotikfilme der 70er mit Gothic Horror-Anwandlungen haben mir bislang wegen der stimmungsvollen Atmosphäre und den hübschen Wäldern fast immer gefallen, hier geht man am Anfang allerdings leider etwas zu exaltiert vor und das Ende erscheint auch etwas unnötig in die Länge gezogen. Dennoch zahlreiche tolle Sequenzen: Die Verfolgungsjagden, der Tiermensch und last but not least die Dame, die mit Hilfe von Meeresbewohnern masturbiert. Das kann man sich schon mal ankucken. Wem das alles etwas zu viel war, der wurde durch den possierlichen Kurzfilm SKATERDATER (USA 1966, Regie: Noel Black) wieder etwas geerdet: Eine Gruppe von jungen Skatern rollt durch kalifornische Straßen und sorgt für Mißmut der erwachsenen Bevölkerung; einer davon verliebt sich in ein Mädchen mit Fahrrad und steht vor der Wahl, ihr oder seiner angestammten Gruppe zu folgen. Sehr hübsch. Im Anschluß läuteten die Glocken für den mit Spannung erwarteten "tristen Überraschungsfilm" des Kongresses. Dieser entpuppte sich als MYSTERIEN DER PORNOGRAPHIE (USA 1969, Regie: Alexander Maxwell), in der ein Pfeife rauchender Bart den Zuschauer mit in die "Unterwelt des Sex" nahm, wie sie sich in zahlreichen Kleinanzeigen anbietet. Der aufklärerische Gestus kommt unserem Erzähler aber zuweilen abhanden, sieht man doch, daß er sichtlich Spaß daran hat, an einer Swingerparty teilzunehmen, ein Nacktmodell zum Fotografieren zu mieten oder sich von einer nackten Chinesin massieren zu lassen. Wundervoll, wie der Film sein eigenes Format aufs Korn nimmt, denn schlußendlich geht es ja doch nur darum, nackte Frauen zu zeigen, denn nackte Frauen sieht man gern. Es folgte eine erneut fulminante Trailershow, von der mir DAS GEHEIMNIS VON SCHLOSS MONTE CHRISTO die meiste Freude bereitet hat.

Da betritt plötzlich mitten in der Nacht eine Nonne den Kinosaal - nein, es ist Silvia, die sich vor der Vorführung von DIE KLOSTERSCHÜLERINNEN (Deutschland 1972, Regie: Eberhard Schröder) stilecht umgezogen hat. Auch solche Dinge passieren beim Kongress! Der Film vermag dann auch zu begeistern, im Unterschied zu anderen deutschen Sexfilmen der Zeit fühlt man hier jederzeit Empathie für die Figuren und es ist ebenfalls bemerkenswert, daß einige Erzählstränge der Episodenstruktur nicht zum üblichen "sauberen Abschluß" kommen, sondern merkwürdig in der Luft hängen bleiben. Schön gefilmt ist das Ganze auch noch. Toll! Auf der Rückfahrt bekomme ich die verantwortungsvolle Aufgabe, die Spule mit der Klosterschülerinnen-Kopie auf dem Rücksitz festzuhalten, damit sich während der Fahrt nichts verbiegt. Schön, damit auch etwas zum Gelingen des Kongresses beigetragen haben zu können!
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Dienstag, 7. Januar 2014
In den Krallen des Hofbauer-Kommandos: Die 1. Nacht
hypnosemaschinen, 22:21h

Nach dem vorzüglichen Cine-Delirium im September mußte freilich auch zum 12. außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos der Weg in den Süden der Republik angetreten werden. Als Prolog gab es VULKAN DER HÖLLISCHEN TRIEBE (Deutschland 1968, Regie: Peter Häuser), den ich auf dem letzten Kongress verpaßte und dessen Kopie leider in einem bedauernswerten Zustand ist und nicht mehr lange existieren wird - den Besuchern wurde hier möglicherweise die letzte Gelegenheit, den Film überhaupt zu sehen, geboten, wofür man dankbar sein kann: Ein unterhaltsamer Sex-Krimi mit unbeholfenen Gangstern, die teilweise auch etwas unbeholfen dargestellt werden. Hier war nicht viel Budget, offenbar aber einiges an Improvisation und viel Herzblut am Werke. Besonders fällt hier die Szene auf, in der ein Auto im Fluß versenkt werden sollte, die bestimmt nicht so geplant war, und das tolle Schlußbild, welches bereits 25 Jahre vor Tarantino möglicherweise Seijun Suzukis TOKYO DRIFTER zitiert.

Der eigentliche Eröffnungsfilm des Kongresses ...SOVIEL NACKTE ZÄRTLICHKEIT (Deutschland 1968, Regie: Günter Hendel) war dann gleich der erste Knüller: In seinem Debütfilm hält sich der Regisseur in erotischen Dingen zwar noch ein wenig zurück, haut aber dafür bereits in die Vollen, was die Dialoge betrifft und liefert eine kurzweilige Mischung zwischen Krimi, Heimatfilm und Liebesdrama ab. Hendel, der später etwas deftigere Schoten wie den SEX-AGENT ablieferte, stellt sich selbst als resoluter Pfarrer ins Humorzentrum des Films, wobei ich die Figur des Kurzgeschichten schreibenden Taugenichts Jochen noch etwas mehr mochte. Grandios die Sequenz, in der er der noch reichlich unschuldigen Eva einen Super 8-Pornofilm zeigt, von dem der Zuschauer nichts sieht, sich dessen Ungeheuerlichkeiten aber selbst aus den entsetzten Blicken des blonden Dienstmädchens ausmalen kann. Mit HEMMUNGSLOS DER LUST VERFALLEN (Italien 1972, Regie: Joe D'Amato) ging es dann in südliche Gefilde, in denen man Mönchen und anderen armen Würsten bei ihren Problemen mit der holden Weiblichkeit zusehen durfte. Die Sexkomödie mit Episodenstruktur legte gut los, wurde in der zweiten Hälfte dann aber doch ein wenig fad.

Was man von ST. PAULI ZWISCHEN NACHT UND MORGEN (Deutschland 1966, Regie: José Bénazéraf) nicht behaupten kann: Von der ersten Minute an gleitet man mit den betörenden Bildern wie betäubt durch die Nacht und den Morgen in Hamburg, mal von Rolf Edens starrem Gesichtsausdruck versteinert, dann wieder von drei energischen Tänzerinnen verzaubert. Glücklicherweise ist der Film auch keine Rarität, wurde er doch kürzlich von der Firma PIDAX auf DVD herausgebracht. Unbedingt kaufen und damit die Veröffentlichung weiterer solcher vergessenen Perlen ermöglichen! Zu später Stunde wird beim Kongress gerne der Videoknüppel ausgepackt und der landete mit AMERICAN ANGELS: BAPTISM OF BLOOD (USA 1989, Regie: Beverly & Ferd Sebastian) ordentlich auf der Zwölf. Das Regisseursehepaar, welches schon für ihren 'GATOR BAIT (1974) mit der goldenen Sumpfdotterblume ausgezeichnet gehört, schickt hier ihr eigenes Töchterlein in die harte Schule des weiblichen Profi-Wrestlings. Begleitet wird sie dabei vom schmierigen Promoter Dave, der mit dem Motorrad direkt in sein Büro fährt (befindet sich zum Glück auch in einer Garage) sowie einem Zwerg, der unter dem Ring wohnt. Erfrischende Kurzweil, die die späte Stunde vollkommen vergessen liess.
Und dies war nur die erste von vier Nächten dieses wahrhaft außerordentlichen Kongresses! Die weiteren werden an dieser Stelle folgen.
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