Montag, 7. April 2014
Besonders Wertlos-Festival 2014 @ Filmhauskino, Köln
Schon eine Schande, daß ich es erst zur 16. Ausgabe des "Festivals des deutschen psychotronischen Films" geschafft habe, dieses zu besuchen. Diverse Zeit- und Zug-Probleme führten dann auch dazu, daß ich vom regulären Filmprogramm, welches zahlreiche Highlights zu bieten hatte, auch dieses Mal nichts mitgenommen habe, dafür aber die Veranstaltungen mit Stargästen, die alleine sich freilich auch mehr als gelohnt haben.



Am Freitag stellte der Ausnahmefilmer Wenzel Storch das neue Buch über seine Filme, das ich hier rezensiert habe, mit einer Multimedia-Präsentation vor. Diese setzte dem schon verdammt unterhaltsamen Buch noch die Krone auf, was einerseits an Storchs zurückhaltendem Vortragsstil lag, der die unglaublichsten Sachen mit einer lässigen Nüchternheit schilderte, andererseits am audiovisuellem "Bonusmaterial", wie nicht im Buch veröffentlichten Fotos aus der wilden Hildesheimer Alkoholikerszene, über deren Treffpunkt der Regisseur jahrelang wohnte und der musikalischen Untermalung einiger Bilderstrecken durch monumentalen Sakro-Pop. Grandios! Wenzel Storch ist mit dieser Präsentation in den kommenden Wochen noch in einigen deutschen Städten unterwegs - bloß nicht verpassen!



Am Samstag lud der geschätzte Filmgelehrte Christian Keßler zur "Ernst Live Explosion" ein - Freunde des außergewöhnlichen Films wissen durch zahlreiche Filmbücher, Beiträge in der Splatting Image und Audiokommentare um die Qualität seiner ebenso kenntnisreichen wie unterhaltsamen Texte, nun stellte er mit "Aalglatt über Leichen" seinen ersten Roman vor, in dem Kommissar Ernst aus Bremen einen bizarren Mordfall aufklären muß. Da der Roman deutlich von zahlreichen Kriminalfilmen vom klassischen Hollywood-Gangsterfilm über den Film Noir bis zum italienischen Polizeifilm inspiriert wurde, gab es auch keine herkömmliche Lesung, sondern eine kurzweilige Mischung aus Texten, Anekdoten und Filmausschnitten. Besonders schön dabei, einige Szenen aus Klassikern wie Kiss me deadly, Laura oder Out of the past mal auf der großen Leinwand sehen zu können. Immens unterhaltsam! Daß Herr Kessler nicht nur gut schreiben, sondern auch hervorragend vortragen kann, hatte ich ja schon feststellen können, als er einst die "Läufige Leinwand" bei uns in Aachen präsentierte.



Es ist wohl mittlerweile über 20 Jahre her, daß ich mit den Kurzfilmen von Mathias Dinter in Berührung kam - ein Freund aus dem Schwäbischen hatte uns einst Santa Claws empfohlen, Anfang der 90er sah ich dann auf einem Kurzfilmfestival in Düsseldorf u.a. den auch hier gezeigten Fake-Trailer (der in seiner Eigenschaft als solcher, wie Festival-Organisator Kai Krick beim Interview zurecht bemerkte, seiner Zeit auch ziemlich voraus war) Attack of the Incredible Blood-Sucking Radio-Active Garbage Monster from the Deep Part 2 sowie die Karlskrone-Liebeserklärung -,49 (Dosenbier scheint im Œuvre des Regisseurs ein Leitmotiv zu sein). Ich hatte ein wenig Sorge, ob mir die Filme auch heutzutage noch gefallen würden, doch diese war unbegründet: Anders als die unzähligen, zuweilen unerträglichen Homemovie-Amateursplatter und "gewollter Trash"-Produktionen, die in den Folgejahren entstanden, drehte Dinter mit Super 8 nicht nur auf echtem Film, sondern zeigt auch ein Gespür für wohlüberlegt komponierte Bilder. Da fallen die zuweilen etwas platten Gags auch nicht mehr allzusehr ins Gewicht, denn es bleibt noch genügend Gutes übrig.



Abgeschlossen wurde der Samstag durch ein Konzert von STRONZO GELANTINO AND THE BOO-MEN, einer Vintage-Surf-Band mit Polka-Einflüssen, die Kochbekleidung und Insektenköpfe tragen. Die heizten die an sich schon beträchtliche Stimmung noch einmal zusätzlich auf und hatten schöne Songtitel wie "King Kong Cologne" oder "Disco Cancer". Super! Das "Besonders Wertlos"-Festival werde ich in Zukunft nicht mehr verpassen wollen.

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Donnerstag, 27. März 2014
Oscar A. H. Schmitz: Haschisch
Man könnte ja meinen, daß es kein gutes Urteil über ein Buch ist, wenn sich am Schluß herausstellt, daß das Vorwort das Beste ist. Das liegt hier aber keinesfalls daran, daß der Inhalt schlecht wäre, das Vorwort ist einfach nur sehr erstaunlich. Verfasst für eine Neuauflage des Buches im Jahr 1913 gibt der Autor zu bedenken, daß er die enthaltenen Erzählungen zwischen 1897 und 1900 verfasst hat, also "lange bevor der Satanismus in Deutschland Mode war". Er rechtfertigt sich anschließend gegen Angriffe, seine Kunst würde gegen Religion und Sittlichkeit verstoßen. Es sei ja auch nur für gebildete, erwachsene Männer gedacht, weder für Kinder, noch für Frauen - man könnte es höchstens der Geliebten, "deren Los ist, außerhalb der Schranken der gesellschaftlicher Moral in wilder Anmut zu blühen, auf den Toilettentisch legen." Für Schwestern, Töchter und Ehefrauen ist das Buch hingegen überhaupt nicht geeignet.



Selbstverständlich teile ich diese Aussagen nicht, aber der Stil, in dem diese 100 Jahre alte Einstellung vorgetragen werden, ist höchst amüsant. Mein Blog darf freilich auch weiterhin von jungen Frauen gelesen werden, sollte es sogar! Nun aber zu den Erzählungen selbst: Es handelt sich nicht um Drogenliteratur per se, der Titel beschreibt mehr oder weniger nur den Rahmen, einen Haschischclub, in dem die verschiedenen Mitglieder Geschichten aus unterschiedlichen Jahrhunderten erzählen, die oft Erotik mit blasphemischen Ritualen verbinden, aber manchmal auch nur von seltsamen, rauschähnlichen Begebenheiten berichten. Besonders gut gefielen mir "Die Geliebte des Teufels", die eine anonyme Sex-Beziehung zwischen Unbekannten schildert, die ihre Gesichter nicht kennen und gegenseitig ihre Fantasien auf den Körper des anderen projizieren, sowie "Die Botschaft" und "Der Schmugglersteig", deren rätselhafte Ereignisse angenehm offen und ambivalent bleiben. Alle Schwestern, Töchter und Ehefrauen, die etwas für die Dekadenzliteratur des frühen 20. Jahrhundert übrig haben, sollten hier ruhig mal einen Blick hineinwerfen. Erwachsene Männer meinetwegen auch.

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Sonntag, 23. März 2014
Il sesso della strega
Sex of the Witch, Italien 1973, Regie: Angelo Pannacciò



Auf dem Sterbebett sagt Thomas Hilton voraus, daß aufgrund der Nichtsnützigkeit seiner Nachfahren die Familie zum Aussterben verdammt sei. Wobei seine Vorfahren auch nicht ohne waren und über eine lange Kriminalitätsgeschichte verfügen. Bei der Testamentseröffnung ist dann auch noch von einem düsteren Geheimnis die Rede und es dauert nicht lange, bis es zum ersten Todesfall kommt...



Da das Erbe des alten Hilton zu gleichen Teilen an alle Familienmitglieder und seinen schwulen Sekretär gehen soll, vermutet man zunächst ein weiteres Ableben der restlichen Erben, doch der Film nimmt dann doch einige überraschend andere Wendungen. Die eigenwillige Vorgehensweise offenbart sich auch schon recht früh durch harte, abrupte Schnitte und eine verzerrte Nachtclub-Orgien-Sequenz, bei der sich leider nicht eruieren liess, von wem der durchaus griffige Psychedelic-Rock stammt, der sie untermalt.





Ansonsten fährt der Film zahlreiche Nacktszenen auf, die durch das erstaunliche Ende sogar nachträglich eine dramaturgische Berechtigung erhalten, was man von den zahlreichen Figuren nicht unbedingt behaupten kann, denn bei denen verliert man schnell den Überblick und es tragen auch nicht alle unbedingt zur Handlung bei. Toll der Score von Daniele Patucchi (der, so erwähnte es ein anderer Reviewer, gar nicht für den Film komponiert wurde, sondern aus einer Library stammte, was die relativ geringe Anzahl von unterschiedlichen Themen erklären würde) und die Darsteller.



Camille Keaton wird hier schon 5 Jahre vor I spit on your grave Gewalt angetan, Donal O'Brien gibt mit gewohnt eisiger Miene den skeptischen Kommissar, während Franco Garofalo mit seinen seltsamen Augen dem Butler erfolgreich eine zwiespältige Aura verpasst. Der Rest der Damen ist auch nicht zu verachten.



Auch etwas merkwürdig der Umstand, daß die Oberbekleidung der Damen - so sie denn welche tragen - allgemein knallbunt gestreift oder kariert ausgefallen ist, was gerade in der mir vorliegenden deftig farbgesättigten VHS-Version fast schon schmerzhaft ins Auge piekst. Alles in allem ein teilweise zwar etwas verwirrender, aber sehr kurzweiliger und eigenständiger Beitrag zum Genre, der Freunden italienischer Kost hervorragend munden sollte. Das Schlußbild ist dann auch eines der Unfassbarsten, das mir in letzter Zeit begegnet ist.

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