Sonntag, 1. Juni 2014
El escapulario
Mexiko 1968, Regie: Servando González



Am Vorabend der mexikanischen Revolution wird der Priester zu einer sterbenden Frau gerufen. Diese erzählt ihm die Geschichte eines Skapuliers (gesegnetes Bild, das man um den Hals trägt), welches ihren Söhnen mehrfach das Leben rettete: Der eine desertierte aus der Armee, um sich den Rebellen anzuschließen, der andere verliebte sich in eine Frau höheren Standes, was zu diesen Zeiten ebenfalls einem Aufstand nahekam...



Weniger ein Horrorfilm, eher ein Vertreter des lateinamerikanischen magischen Realismus, der zwar nicht ganz so beeindruckend ausgefallen ist wie die vergleichbaren Macario oder Pedro Páramo, aber doch sehr hübsch anzusehen ist. Das geht von den schattigen Studiosets der Rahmenhandlung über das neblige Gefangenlager der ersten Episode bis zu der gespenstischen Szene unterm Galgen in der zweiten Episode, die dann auch ein wenig an Die Handschrift von Saragossa erinnerte.





In der zweiten Episode gibt es neben dem komischen Element eines Onkels, der, obwohl man ihm die Zunge herausgeschnitten hat, nach dem ein oder anderen Tequila dennoch die abenteuerlichsten Geschichten von sich geben kann, auch eine etwas kitschige Animations-Sequenz, der man aber auch nicht böse sein kann.







Ein wie viele seiner Art in Vergessenheit geratener, aber sehr schöner Film, der mit seinem Fokus auf "die einfachen Leute" auch noch zeitlose politische Statements abliefert und einen Einblick in die mexikanische Geschichte ermöglicht.

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Donnerstag, 1. Mai 2014
Las melancólicas
House of Insane Women / Exorcism's Daughter, Spanien 1971, Regie: Rafael Moreno Alba



Der fortschrittliche Arzt Dr. Alba übernimmt im 19. Jahrhundert die Verantwortung für eine Frauen-Heilanstalt und versucht, die dort vorherrschenden desolaten Zustände zu verbessern. Seine Methoden stoßen aber nicht auf Gegenliebe bei seinen streng nach kirchlicher Moral handelnden Vorgesetzten, auch wird dort nicht gern gesehen, wie viel Zeit er mit der an Verfolgungswahn leidenden Tania verbringt...



Die Rezeption dieses fantastisch fotografierten Dramas litt sehr darunter, daß es in den USA als Horrorfilm vermarktet wurde, aber keineswegs einer ist. Besonders der offensichtlich nach 1973 entstandene zweite Titel ist recht irreführend, wenn auch nicht komplett falsch und fast schon ein Spoiler. Es hat aber neben großartigen Bildern noch einiges mehr zu bieten und sorgt häufig für Verblüffung. So klopft nach einer guten halben Stunde der gute alte Onkel Sleaze in Form eines geilen Barbiers an die Tür.



Nach einer lesbischen Orgiensequenz verschwindet er jedoch wieder und kehrt nur noch einmal kurz zurück, als die Vorsitzende des Konsortiums den gutaussehenden Doktor zum Kaffee einlädt und ihr Gebäck in eindeutig zweideutiger Weise verzehrt.



Auch interessant einige eingestreute Verweise, so wird in einer Szene der erste "psychoanalytische Film", G.W. Pabsts Geheimnisse einer Seele zitiert...



...während man bei der unfassbaren Sequenz, in der sich die Frauen in SloMo zu romantischer Musik eine Kissenschlacht liefern, unwillkürlich an den Klassiker der Irrenhaus-Literatur, Poes "The System of Doctor Tarr and Professor Fether" denken muss.



Auch die Besetzung ist prächtig: Hier sticht vor allem Analía Gadé als Tania hervor, aber auch Francisco Rabal als stets besoffener sadistischer Wärter, der sich für einen General hält, ist eine Schau, wie auch Helga Liné in einer kleinen Rolle als Nymphomanin und eine noch sehr junge Inma de Santis (El asesino de muñecas).



Wie bei den meisten Filmen mit Irrenhaus-Sujet wird dieses auch hier für den ein oder anderen subversiven Akt genutzt: Die Wahnsinnigen dürfen Wahrheiten aussprechen, die für die "Normalen" tabu sind - wie auch zahlreiche kleine Genrefilme weltweit sich Sachen trauen, für die große Produktionen nicht genügend Chuzpe haben.











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Montag, 28. April 2014
Richard Laymon: Night in the Lonesome October
Besonders viel zeitgenössische Literatur lese ich abseits meiner noch lebenden Lieblingsautoren Eugen Egner und Thomas Ligotti nicht unbedingt, als aber beim letzten Hofbauer-Kongress bei einem Tischgespräch die Rede zufällig auf Richard Laymon kam, dachte ich: Hmm, nie gehört, könnte ich aber für zwischendurch mal anprobieren. Top-Aktuell ist der Mann wohl auch nicht, da bereits 2001 verstorben und im selben Jahr erschien auch dieser Roman: Erzähler ist der junge Student Ed, der von Liebeskummer geplagt nachts durch die Stadt läuft und dort auf ein merkwürdiges Mädchen trifft, das eine eigenartige Faszination auf ihn ausübt. Doch auch andere Gestalten treiben sich nachts in der Stadt herum, und die meisten sind nicht sehr lieblich...



Ich hatte anfangs ein paar Probleme, in das Buch reinzukommen, da der Erzähler mir nicht sehr sympathisch dünkte, aber das muß ja auch nicht immer sein. Hier und dort hingeworfene sleazige Details hielten mich aber an der Stange und so las sich das Ganze recht flüssig durch - am Besten gefiel mir daran, daß einige der merkwürdigeren Geschehnisse eher offen bleiben und nicht zu Tode erklärt werden. Ein Lieblingsautor wird Laymon bei mir wohl nicht werden, aber bereut habe ich die Lektüre auch keineswegs.

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