Freitag, 3. Dezember 2010
Jonathan Carroll: Schlaf in den Flammen
Als schon seit längerem in Wien lebender Amerikaner ist Carroll ein wenig the best of both worlds, einerseits kulturhistorisch bestens mit der alten Welt vertraut, andererseits von einer kalifornischen Unbeschwertheit. Hier läßt er sogar eine Figur ein Meat Puppets-T-Shirt tragen, und der Roman stammt von 1988, also lange vor Majorlabeldeals und Nirvana-Coverversionen. Auch sein Stil ist äußerst angenehm und der Plot setzt sich hier, wie auch in den anderen Büchern, die ich bislang von ihm gelesen habe, angenehm zwischen alle Stühle. Es ist phantastische Literatur, aber nicht explizit Horror, nicht explizit Fantasy, nicht explizit Science-Fiction, sondern von allem etwas, gepaart mit einer präzisen Beobachtungsgabe und einem oft ironischen Blick auf den derzeitigen Zustand des Menschen.

Das war jetzt alles sehr vage und allgemein, um mal auf diesen konkreten Roman einzugehen: Hier geht es um einen in Wien gestrandeten amerikanischen Schauspieler und Drehbuchautor (klar, definitiv autobiographisch - Carroll schrieb übrigens auch das Drehbuch zu Patzaks Der Joker mit Maffay), der in der österreichischen Hauptstadt nicht nur einige merkwürdige Träume hat, sondern zufällig auch auf das Grab einer Person stößt, die ihm wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Zeitgleich verliebt er sich auch noch in die Bekannte eines Freundes, die vor ihrem gewalttätigen Ex aus München nach Wien flieht und durch ihre Ankunft die rätselhaften Ereignisse noch potenziert. Die kalifornische Reinkarnations-Episode mit ihrem Esoterik-Blabla störte mich ein wenig, machte aber bald wieder originelleren Ideen Platz. Sympathischer Autor, sympathisches Buch. Das etwas elegischer ausgefallenere "Die Stimme unseres Schattens" hat mir allerdings noch ein Stück besser gefallen.

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