Montag, 13. Januar 2014
In den Krallen des Hofbauer-Kommandos: Die letzte Nacht


Auch außerordentliche Filmkongresse gehen einmal zu Ende und der letzte Tag wurde mit DIE BEUTE (Frankreich/Italien 1966, Regie: Roger Vadim) eingeleitet. Jane Fonda ist die neue junge Frau des Reichen Michel Piccoli, verliebt sich aber in dessen Sohn, und so was kann schon mal problematisch werden. Wie vom Regisseur gewohnt, setzt er auch in dieser Zola-Adaption weibliche Reize gekonnt ins Bild und vermag den Zuschauer mitzuziehen, auch wenn man sich ein paar mehr visuelle Höhepunkte gewünscht hätte. Es folgte ein weiterer kurzer "Kulturfilm", diesmal über EROTISCHE TEMPELRITUALE IN JAPAN (Land, Jahr und Regie ungewiß), der interessantes über phallische Kulte zu erzählen wußte und auf den nächsten Hauptfilm überleitete.



In UNGEZÄHMTE EROTIK (Japan 1968, Regie: Shinya Yamamoto) wird die prominente Schauspielerin Reiko von einem schmierigen Schurken und seinem Onkel erpresst, zunächst mit Fotos, die ein exaktes Double von ihr beim Ladendiebstahl zeigen. (Vielleicht war die Geschichte mit Winona Ryder auch nur ein Mißverständnis.) Doch mit einer Zahlung ist die Sache noch nicht aus der Welt, die Ganoven schaffen es immer wieder, Reiko neu zu kompromittieren, bis sie sich entschließt, zurückzuschlagen. Ein in äußerst stimmige schwarz-weiß-Bilder getauchter Erotikthriller, der auch durch sein Arsenal von Nebenfiguren bei Laune hält. Traurig allerdings der Umstand, daß die japanische Originalfassung verschollen ist und die hier gezeigte Kopie in deutscher Synchronfassung (inkl. Japanern, die "Mahlzeit" sagen) schon vom Essigsyndrom befallen ist und ohne Restaurierung wohl auch nicht mehr lange überleben wird. Statt in Lethargie zu versinken, gab es danach aber erstmal wieder ordentlich auf die Augen - mit NEW YORK CITY INFERNO (Frankreich 1978, Regie: Jacques Scandelari) wurde der erste schwule Porno im Rahmen des Kongresses gezeigt, und der hatte es in sich: Fast schon dokumentarisch-authentisch begleiten wir den französischen Protagonisten auf der Suche nach seinem Geliebten in der pulsierenden Szene New Yorks, in der sich in zahlreichen Clubs und auch in schäbigsten Ecken die Gelegenheit zum Sex ergibt. Das Ganze kulminiert in einer unfassbar hypnotischen Orgiensequenz, die alle denkbaren sexuellen Handlungen zum kakophonischen Sound einer deutlich von SUICIDE beeinflußten New Wave-Band namens "Stigmata Hari" (über die ich noch nichts weiteres herausfinden konnte, außer, daß die Sängerin mit dem 1979 erschossenen Robert Opel befreundet war, der bei der Oscar-Verleihung 1974 nackt über die Bühne rannte) abbildet. Eine beeindruckende Erfahrung.



Der folgende Film wurde von zahlreichen Kongressteilnehmern schon heftigst herbeigesehnt, war es doch gelungen, mit GEHEIME LÜSTE BLUTJUNGER MÄDCHEN (Deutschland 1978, Regie: Jürgen Enz) eine weitere 35mm-Kopie des jüngst wiederentdecken deutschen Regisseurs in die Nürnberger Nacht projizieren zu können. Schon recht bald ward klar, daß hier ein komödiantischer Ton überwiegt mit dem kurzsichtigen Diener Pepi, dem schwyzerdütsch sprechenden Hausmädchen Mitzi und dem leicht debil dreinblickenden Graf, der mit dem Fahrrad ins Dorf fährt, um Besorgungen machen, während die weibliche Bevölkerung es eher von ihm besorgt haben will. Was freilich später passiert, dazu muß der Graf sich aber in die Verkleidungen seiner Ahnen schmeissen. Einzelne Details sorgten schon früh für Hochstimmung (die Zigarettenmarken und Zeitungsschlagzeilen am Dorfkiosk!), aber spätestens bei einem ins Extreme übersteigerten Türklinkenwitz klagten einige Zuschauer über Bauchschmerzen vor Lachen. Was bei einer Komödie ja nun nicht verkehrt ist.

Das waren schöne Tage und Nächte! An dieser Stelle erneuter Dank an die enthusiastischen Organisatoren und auch den anderen Teilnehmern: Selten sitzt man mit so vielen netten Leuten zusammen im Kino. Deutlich gemacht hat dieser Kongress aber auch mal wieder, daß mit dem zunehmendem Verschwinden der 35mm-Projektion nicht nur durch die Art der Vorführung und der Beschaffenheit des Materials ein entscheidendes Merkmal der Kinokultur verloren zu gehen droht - auch zahlreiche Filme, die nie im Fernsehen, auf VHS oder DVD ausgewertet wurden, werden bald gar nicht mehr zu sehen sein. Dem gilt es, entgegenzusteuern.

Zu den gezeigten Filmen gibt es auch wesentlich ausführlichere Texte als meine, etwa von Oliver, Thomas, Lukas, Udo, Michael und Michael. Weitere werden bestimmt noch folgen.

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Freitag, 10. Januar 2014
In den Krallen des Hofbauer-Kommandos: Die 3. Nacht


Vor offiziellem Beginn des Programms wurde dem geneigten Besucher die Möglichkeit gegeben, noch einmal den Überraschungshit des 10. Kongresses, DER PERSER UND DIE SCHWEDIN (England/Schweden 1961, Regie: Akramzadeh) zu sehen, der bei seiner ersten Aufführung im Sommer noch vollkommen obskur war - nicht einmal ein IMDB-Eintrag lag vor - aber das Publikum vehement verzückte. Der einzige Film des Exil-Iraners, der hier auch das Drehbuch und die Hauptrolle übernahm, berichtet vom Medizinstudenten Mustafa, der sich in London allerdings mehr für Mädchen als sein Studium interessiert. Die Leichtigkeit der ersten Hälfte incl. einiger Tanzdarbietungen in einschlägigen Lokalen in Soho wandelt sich in Richtung Melodram, als die titelgebende Schwedin schwanger wird und Mustafa wegen einer verpatzten Prüfung zurück in die Heimat muß, da die Familiengelder ausbleiben. Ein äußerst charmanter und liebevoller Film, der trotz - oder gerade wegen - seiner eingeschränkten Mittel seine Figuren und Geschichte ernst nimmt, ohne dabei an Leichtigkeit zu verlieren.



Mit COVER GIRLS (Italien/Frankreich 1964, Regie: José Bénazéraf) gab es den zweiten Film des marokkanisch-französichen Erotikfilm-Auteurs im Rahmen des Kongresses zu sehen und hier stand dem Regisseur wohl das höchste Budget seiner Karriere zur Verfügung. Und das sieht man dem Film auch an: Prächtigst komponierte Bilder von Anfang bis Ende, die die schönen bis wunderschönen Protagonistinnen in Natur und Architektur einbetten. Der Handlungsverlauf ist dabei etwas fragmentarisch, die Ausgangssituation, in der meta-mäßig ein Fernsehteam einen bekannten Regisseur zu seinem neuem Film befragt, wird nur sporadisch wieder aufgegriffen, stattdessen gibt sich der Film dem Fluss der Bilder hin und erlaubt dem Zuschauer, es ihm gleichzutun. Ganz toll! Es folgte der kurze "Kulturfilm" FARBIGE LIEBELEI (Deutschland 1956, Regie: Kurt Baum), der farbenprächtig das Hochzeitsritual eines südafrikanischen Stammes dokumentierte, und dann wurde es schmutzig. Soviel geballte menschliche Niedertracht wie in QUELLE DER EROTIK (Brasilien 1965, Regie: J.P. de Carvalho) habe auch ich nur selten zu sehen bekommen. Der Angestellte Edgar bekommt von seinem dickwanstigem Chef das Angebot, seine Tochter zu heiraten, da diese nach einer Gruppenvergewaltigung nicht mehr "herkömmlich zu verheiraten sei". Ein großzügiger Scheck soll ihm bei der Entscheidung helfen. Edgar ist allerdings in seine Nachbarin verliebt, deren minderjährige Schwestern wiederum von einem Zuhälter einer Party des Chefs zugespielt werden sollen, damit sie dort entjungfert und vergewaltigt werden können. Der Zynismus der Handlung wird von der flapsigen deutschen Synchronisation noch verstärkt - vom heutigen Standpunkt her gesehen erst recht unfassbar, daß so ein Film einst in deutschen Kinos lief, aber das sagt auch viel über die Entwicklung der Auswertung nicht nur hierzulande aus.



Danach war Zeit für etwas leichtes, unschuldiges und das wurde uns mit DIE LIEBESQUELLE (Österreich 1966, Regie: Ernst Hofbauer) des Kongress-Namenspatrons serviert. Die Mischung aus Heimatfilm und Sexkomödie spielt im diffusen "Norden des Landes" (Norddeutschland kann nicht gemeint sein, denn dafür gab es zuviel Bergpanorama im Hintergrund), in dem ein kleiner Ort mittels der Legende einer "Liebesquelle", die den Männern Potenz und den Frauen ewige Schönheit verspricht, den Tourismus anzukurbeln versucht. Bekannte Gesichter wie Hans-Jürgen Bäumler, Sieghardt Rupp und Eddi Arent führen durch diesen Schwank, der trotz teilweise etwas plattem Schenkelklopfer-Humors für gute Laune sorgte. Alsdann stand der "stählerne Überraschungsfilm" auf dem Programm, der sich als ANATOMIE DES LIEBESAKTES (Deutschland 1971, Regie: Hermann Schnell) herausstellte: Von einer ellenlangen Texttafel eingeleitet, folgte alsbald ein vom Bolero untermalter ellenlanger Liebesakt eines aseptischen Paares und meine Augen weiteten sich ein wenig in Grauen. Dann aber schwenkt der Film zu der Praxis eines Sexualwissenschaftlers, dem das nun angezogene Paar einige Fragen stellt. Im weiteren Verlauf werden dann sämtliche Stellungen vorgestellt und mit Grafiken verdeutlicht, welche Stimulationen dabei stattfinden. Das hatte in all seiner deutschen Staubtrockenheit schon eine gewisse Faszination. Zur Sicherheit kopierte der Vorführer zwischen zwei Akte noch den Trailer eines anderen Films, nach dem der ganze Kinosaal garantiert wieder wach wurde.

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Donnerstag, 9. Januar 2014
In den Krallen des Hofbauer-Kommandos: Die 2. Nacht


Der zweite Tag des Kongresses führte uns nach Fürth, wo uns DIE ERNTE DER SÜNDIGEN MÄDCHEN (Frankreich/Italien 1961, Regie: Louis Soulanes) erwartete: Vom eisigen Winterwind wurden wir direkt in die trockene Schwüle der sommerlichen Pfirsichernte verweht: Die Männer fahren die Laster und stapeln die Kisten, die Frauen pflücken die Früchte und füllen die Kisten. Die Stimmung knistert und ist gereizt in den Baracken mitten im Nirgendwo, dem vorbildlichen Proletarier Armand und der reinen Josine stehen der ausbeuterische Chef nebst verkommenem Sohn und die erotisch tickende Zeitbombe Kissa (Scilla Gabel) gegenüber. Letztere ist streng genommen eher eine Nebenfigur, reißt aber durch ihre Präsenz jede Szene an sich und versext sie total. Dabei ist ihre Figur nur anfänglich das klischeehafte "Luder", und erweist sich im Verlauf der Handlung als "feiner Kerl" mit Charakterstärke. Wunderbar. Es folgte BARBARA (USA 1971, Regie: Walter Burns), in einer auf 40 Minuten getrimmten Version des ursprünglich abendfüllenden Films: Hippies ficken am Strand, während auf der Tonspur eine Diskussion über Zensur zu hören ist. Der Sex findet bald in unerwarteten Konstellationen statt und eine Kollage von Nixonbildern wird eingeschnitten. Der Film hatte einige tolle, unvorhersehbare Ideen, fiel aber leider auch immer wieder in die typisch überdeutliche Symbolik des politischen Studentenkinos zurück.



Symbolik gab es auch in DAS PARADIES (Frankreich 1971, Regie: Jacques Scandelari) nicht zu knapp: Ich habe "La philosophie dans le boudoir" vom Marquis de Sade nicht gelesen, aber der Film scheint die Vorlage wohl eher nur als Inspiration zu verwenden, um möglichst stylish herumzusauen. Französische Erotikfilme der 70er mit Gothic Horror-Anwandlungen haben mir bislang wegen der stimmungsvollen Atmosphäre und den hübschen Wäldern fast immer gefallen, hier geht man am Anfang allerdings leider etwas zu exaltiert vor und das Ende erscheint auch etwas unnötig in die Länge gezogen. Dennoch zahlreiche tolle Sequenzen: Die Verfolgungsjagden, der Tiermensch und last but not least die Dame, die mit Hilfe von Meeresbewohnern masturbiert. Das kann man sich schon mal ankucken. Wem das alles etwas zu viel war, der wurde durch den possierlichen Kurzfilm SKATERDATER (USA 1966, Regie: Noel Black) wieder etwas geerdet: Eine Gruppe von jungen Skatern rollt durch kalifornische Straßen und sorgt für Mißmut der erwachsenen Bevölkerung; einer davon verliebt sich in ein Mädchen mit Fahrrad und steht vor der Wahl, ihr oder seiner angestammten Gruppe zu folgen. Sehr hübsch. Im Anschluß läuteten die Glocken für den mit Spannung erwarteten "tristen Überraschungsfilm" des Kongresses. Dieser entpuppte sich als MYSTERIEN DER PORNOGRAPHIE (USA 1969, Regie: Alexander Maxwell), in der ein Pfeife rauchender Bart den Zuschauer mit in die "Unterwelt des Sex" nahm, wie sie sich in zahlreichen Kleinanzeigen anbietet. Der aufklärerische Gestus kommt unserem Erzähler aber zuweilen abhanden, sieht man doch, daß er sichtlich Spaß daran hat, an einer Swingerparty teilzunehmen, ein Nacktmodell zum Fotografieren zu mieten oder sich von einer nackten Chinesin massieren zu lassen. Wundervoll, wie der Film sein eigenes Format aufs Korn nimmt, denn schlußendlich geht es ja doch nur darum, nackte Frauen zu zeigen, denn nackte Frauen sieht man gern. Es folgte eine erneut fulminante Trailershow, von der mir DAS GEHEIMNIS VON SCHLOSS MONTE CHRISTO die meiste Freude bereitet hat.



Da betritt plötzlich mitten in der Nacht eine Nonne den Kinosaal - nein, es ist Silvia, die sich vor der Vorführung von DIE KLOSTERSCHÜLERINNEN (Deutschland 1972, Regie: Eberhard Schröder) stilecht umgezogen hat. Auch solche Dinge passieren beim Kongress! Der Film vermag dann auch zu begeistern, im Unterschied zu anderen deutschen Sexfilmen der Zeit fühlt man hier jederzeit Empathie für die Figuren und es ist ebenfalls bemerkenswert, daß einige Erzählstränge der Episodenstruktur nicht zum üblichen "sauberen Abschluß" kommen, sondern merkwürdig in der Luft hängen bleiben. Schön gefilmt ist das Ganze auch noch. Toll! Auf der Rückfahrt bekomme ich die verantwortungsvolle Aufgabe, die Spule mit der Klosterschülerinnen-Kopie auf dem Rücksitz festzuhalten, damit sich während der Fahrt nichts verbiegt. Schön, damit auch etwas zum Gelingen des Kongresses beigetragen haben zu können!

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Dienstag, 7. Januar 2014
In den Krallen des Hofbauer-Kommandos: Die 1. Nacht


Nach dem vorzüglichen Cine-Delirium im September mußte freilich auch zum 12. außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos der Weg in den Süden der Republik angetreten werden. Als Prolog gab es VULKAN DER HÖLLISCHEN TRIEBE (Deutschland 1968, Regie: Peter Häuser), den ich auf dem letzten Kongress verpaßte und dessen Kopie leider in einem bedauernswerten Zustand ist und nicht mehr lange existieren wird - den Besuchern wurde hier möglicherweise die letzte Gelegenheit, den Film überhaupt zu sehen, geboten, wofür man dankbar sein kann: Ein unterhaltsamer Sex-Krimi mit unbeholfenen Gangstern, die teilweise auch etwas unbeholfen dargestellt werden. Hier war nicht viel Budget, offenbar aber einiges an Improvisation und viel Herzblut am Werke. Besonders fällt hier die Szene auf, in der ein Auto im Fluß versenkt werden sollte, die bestimmt nicht so geplant war, und das tolle Schlußbild, welches bereits 25 Jahre vor Tarantino möglicherweise Seijun Suzukis TOKYO DRIFTER zitiert.



Der eigentliche Eröffnungsfilm des Kongresses ...SOVIEL NACKTE ZÄRTLICHKEIT (Deutschland 1968, Regie: Günter Hendel) war dann gleich der erste Knüller: In seinem Debütfilm hält sich der Regisseur in erotischen Dingen zwar noch ein wenig zurück, haut aber dafür bereits in die Vollen, was die Dialoge betrifft und liefert eine kurzweilige Mischung zwischen Krimi, Heimatfilm und Liebesdrama ab. Hendel, der später etwas deftigere Schoten wie den SEX-AGENT ablieferte, stellt sich selbst als resoluter Pfarrer ins Humorzentrum des Films, wobei ich die Figur des Kurzgeschichten schreibenden Taugenichts Jochen noch etwas mehr mochte. Grandios die Sequenz, in der er der noch reichlich unschuldigen Eva einen Super 8-Pornofilm zeigt, von dem der Zuschauer nichts sieht, sich dessen Ungeheuerlichkeiten aber selbst aus den entsetzten Blicken des blonden Dienstmädchens ausmalen kann. Mit HEMMUNGSLOS DER LUST VERFALLEN (Italien 1972, Regie: Joe D'Amato) ging es dann in südliche Gefilde, in denen man Mönchen und anderen armen Würsten bei ihren Problemen mit der holden Weiblichkeit zusehen durfte. Die Sexkomödie mit Episodenstruktur legte gut los, wurde in der zweiten Hälfte dann aber doch ein wenig fad.



Was man von ST. PAULI ZWISCHEN NACHT UND MORGEN (Deutschland 1966, Regie: José Bénazéraf) nicht behaupten kann: Von der ersten Minute an gleitet man mit den betörenden Bildern wie betäubt durch die Nacht und den Morgen in Hamburg, mal von Rolf Edens starrem Gesichtsausdruck versteinert, dann wieder von drei energischen Tänzerinnen verzaubert. Glücklicherweise ist der Film auch keine Rarität, wurde er doch kürzlich von der Firma PIDAX auf DVD herausgebracht. Unbedingt kaufen und damit die Veröffentlichung weiterer solcher vergessenen Perlen ermöglichen! Zu später Stunde wird beim Kongress gerne der Videoknüppel ausgepackt und der landete mit AMERICAN ANGELS: BAPTISM OF BLOOD (USA 1989, Regie: Beverly & Ferd Sebastian) ordentlich auf der Zwölf. Das Regisseursehepaar, welches schon für ihren 'GATOR BAIT (1974) mit der goldenen Sumpfdotterblume ausgezeichnet gehört, schickt hier ihr eigenes Töchterlein in die harte Schule des weiblichen Profi-Wrestlings. Begleitet wird sie dabei vom schmierigen Promoter Dave, der mit dem Motorrad direkt in sein Büro fährt (befindet sich zum Glück auch in einer Garage) sowie einem Zwerg, der unter dem Ring wohnt. Erfrischende Kurzweil, die die späte Stunde vollkommen vergessen liess.

Und dies war nur die erste von vier Nächten dieses wahrhaft außerordentlichen Kongresses! Die weiteren werden an dieser Stelle folgen.

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Dienstag, 31. Dezember 2013
Robin Redbreast
GB 1970, Regie: James MacTaggart



Nach einer unschön geendeten Beziehung möchte die 35jährige Norah Abstand gewinnen und zieht von London in ein Cottage auf dem Land, in dem sie sonst nur vereinzelte Wochenenden verbrachte. Die Geräusche, die sie dort nachts hört, stammen wohl von Mäusen, aber die Dorfbewohner sind auch etwas seltsam: Da ist die renitente Haushälterin, die stets über alles Bescheid weiß, der merkwürdige Mr. Fisher, der häufig ums Haus schleicht, und vorgibt, nach mittelalterlichen Scherben zu suchen, sowie der gut aussehende Rob, der mitten im Wald halbnackt Karate-Übungen macht...



Dieser für die Reihe "Play for Today" produzierte Fernsehfilm wird zuweilen als Vorläufer des mittlerweile zurecht als Kultfilm geltenden The Wicker Man (1973) genannt, und in der Tat sind beide Filme gleichermaßen von heidnischen Ritualen, wie sie in dem Buch The Golden Bough beschrieben werden, inspiriert. Dramaturgisch gehen sie aber sehr unterschiedliche Wege, so daß diese Parallele keineswegs als Spoiler betrachtet werden kann. Dank dem BFI - das endlich auch sämtliche Folgen der größtenteils auf Vorlagen von M. R. James basierenden, wundervollen "Ghost Stories for Christmas" veröffentlicht hat - ist der zuvor sehr rare Film jetzt auch auf DVD verfügbar - leider nur in der überlebenden S/W-Version, er wurde wohl ursprünglich in Farbe produziert und ausgestrahlt.



Zwar sind die eingeschränkten Produktionsmittel des über weite Strecken kammerspielartigen Films stets bemerkbar - sogar ein Kirchenbesuch wird nur durch Standbilder dargestellt - aber es gelingt trotzdem, eine irritierende Atmosphäre nebst nägelkauender Spannung aufzubauen. Geschichten, die im ländlichen England spielen und über das Ende hinaus eine mehrdeutige Erzählperspektive beibehalten, sind sowieso genau meine Tasse Tee. Ganz toll!

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Donnerstag, 26. Dezember 2013
Marie la louve
Frankreich 1991, Regie: Daniel Wronecki



Als Säugling wurde Marie von einem seltsamen Fremden, der mit einem Wolfsrudel umherzog, die Gabe gegeben, Wolfsbisse zu heilen. Die Dorfgemeinschaft nutzt diese Fähigkeit zwar gerne aus, aber wie das immer so ist, sozialisieren möchten sie mit Marie nicht und halten sie für eine Hexe. Als es zu einem Todesfall kommt, eskaliert die Situation...



Stimmungsvolle Adaption einer Vorlage von Claude Seignolle, der als Volkskundler in vielen seinen Werken lokale Legenden der Sologne einfliessen ließ. Produziert fürs französische Regionalfernsehen, ist der Film scheinbar nur in Spanien auf DVD veröffentlicht worden. Von den Dialogen verstand ich daher kaum etwas, konnte aber der Handlung ganz gut folgen, weil ich die in der verdienstvollen Reihe "DuMont's Bibliothek des Phantastischen" in deutscher Übersetzung erschienene literarische Vorlage gelesen hatte.



Insofern fällt es auch etwas schwer, die schauspielerischen Leistungen zu bewerten, es hat teilweise etwas von Bauerntheater, aber das passt auch ganz gut zum Sujet. Aurélie Gibert in der Titelrolle ist jedenfalls ziemlich perfekt und spielt ihre Figur mit der benötigten Zurückhaltung. Auch sehr schön die zahlreichen, vom Grün der Umgebung dominierten Landschaftsaufnahmen, der Score ist mit seiner Verwendung von folkloristischen Themen allerdings manchmal etwas ungeschickt eingesetzt. Richtig gruselig oder horribel wird es eh selten, da die dramatischen Elemente und eine Beschreibung der damaligen Lebensumstände im Vordergrund stehen.



Aber immer wieder schön, Adaptionen von noch nicht ausgelutschten phantastischen Stoffen ausfindig zu machen.



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Montag, 9. Dezember 2013
Hostel Party
Belgien 1990, Regie: Roland Lethem



Als der Geschäftsreisende Tom in ein Hostel eincheckt, fällt ihm eine Gruppe grölender Gäste unangenehm auf. In der Nacht steht dann plötzlich eine junge Frau vor der Zimmertür und bittet um Einlass...



Nach diesem Kurzfilm habe ich ziemlich lange gesucht, handelt es sich doch um eine von wenigen Filmadaptionen eines meiner Lieblingsautoren, Thomas Owen. Auch der Regisseur klang vielversprechend, hatte ich von ihm doch zufällig vor Jahren bei einem Halloween-Kurzfilm-Special auf arte den beeindruckenden La Fée sanguinaire gesehen, der auch in Amos Vogels wichtigem Buch Film als subversive Kunst erwähnt wird. Und in der Tat hat sich die Suche gelohnt: Lethem fügt der sehr offenen Vorlage zwar einige konkrete Bilder hinzu, fängt die somnambule Stimmung aber sehr gut ein. Als Bonus gibt es dann noch die erste Filmrolle des späteren Dardenne-Brüder-Stammschauspielers Olivier Gourmet zu begutachten, der hier in bester Renfield-Manier genüßlich eine Fliege verspeist.

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Sonntag, 24. November 2013
Escalofrío diabólico
Diabolical shudder, Spanien 1972, Regie: George Martin



"Strange events are occurring." Meta-Dialogzeile



Alle 100 Jahre erscheint der Familie Montan der Teufel, so sie ihm eine Jungfrau opfern und die ortsansässige Satansbruderschaft ihr Blut trinkt. Alex, der letzte Sproß der Familie, erhofft sich von der Zeremonie unermesslichen Reichtum und bestellt die verwaiste jungfräuliche Alma als Krankenschwester für seine kaputte Mutter...



Eine von drei Regiearbeiten des ansonsten eher als Darsteller in Italowestern bekannten George Martin (eigentlich Francisco Martínez Celeiro) und sein einziger Horrorfilm. Das merkt man auch ein wenig, denn wirklichen Grusel kann der mit streckenweise albernen Zooms zuweilen leicht unbeholfen inszenierte Film nicht unbedingt erzeugen. Auch werden zahlreiche altbekannte Motive in den Topf geworfen, vom notgeilen stummen Butler bishin zur hier mal wieder wörtlich zu nehmenden Leiche im Keller.



Aber ich mag ja so Zeug, und hatte auch hier eine gute Zeit. Das lag neben einigen durchaus gelungenen Bildern in tollen Locations (leider ist der Film momentan nur in einer spanischen VHS-Version mit schlimmen Farben verfügbar) an zahlreichen bizarren Details: Etwa die Schaufensterpuppe, die der stumme Butler als Sex-Surrogat mitten in einer Ruine begraben hat, oder der dem Satanszirkel angehörige Dorfarzt mit Nachnamen "Batman" (evtl. auch "Badman", aber das macht es auch nicht subtiler). Und wie viele Gothic Horror-Filme gibt es, die im Finale ein Maschinengewehr-Shootout aufbieten können?



Ach doch, Freunde von 70s-Eurohorror und roten Kapuzen dürfen hier ruhig mal einen Blick wagen.











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Samstag, 26. Oktober 2013
Dracula 3D
Italien/Frankreich/Spanien 2012, Regie: Dario Argento



Ja, es handelt sich hier um eine Adaption des berühmten Romans von Bram Stoker, die sich wie alle vorherigen Filmversionen einige Freiheiten herausnimmt, die Grundstruktur der Vorlage aber beibehält, also spare ich mir eine Zusammenfassung, da die Handlung wohl bekannt sein dürfte.



Seit der Vorführung des Films in Cannes las man viele Verrisse und dann und wann kam auch die Frage auf, ob Argento evtl. jetzt vollkommen den Verstand verloren haben mag, was für einen Regisseur von hauptsächlich Horrorfilmen ja nicht unbedingt die schlechteste Voraussetzung ist. Nun führte das Spätwerk des Regisseurs schon vermehrt zu Irritationen bei "Fans" seiner zurecht anerkannten Klassiker wie SUSPIRIA, aber mit seiner Adaption der berühmtesten Vampirgeschichte wurde das Faß wohl endgültig zum Überlaufen gebracht. Sein DRACULA ist, wie die Titelfigur, vollkommen aus der Zeit gefallen, sieht von den Kostümen, der Ausleuchtung und Ausstattung so aus wie die Vampirfilme der britischen Hammerstudios aus den späten 50er und frühen 60er Jahren, ohne jedoch die postmodernen Merkmale einer Hommage zu erfüllen: Es gibt keine Ironie, keine Meta-Ebene, nicht mal einen eigenen Stil wie etwa bei Tim Burton. Argento hat 2012 einen Dracula-Film gedreht, wie man ihn 50 Jahre vorher gedreht hätte und macht daraus ein persönliches "Best of", wie schon Coppola 1992 mit seiner Version den vorherigen Adaptionen Tribut zollte - sehr passend übrigens, daß dieser mit Twixt 2011 ebenfalls einen wunderlichen Low-Budget-Gothic-Horror-Film der Marke "mir doch egal, was ihr von mir erwartet" ablieferte.



Ein wenig in Diskrepanz zum altertümlichen Look und Aufbau des Films stehen die CGI-Effekte, die nur bedingt gelungen sind. Da wollte Dario eventuell noch abchecken, inwiefern er neben den Sex- und Splattereinlagen noch ein wenig mehr over the top gehen kann, so ganz will das aber nicht hineinpassen, aber das ist vielleicht auch zu kleinlich gedacht - es trägt schließlich auch zur großen Ambivalenz des Films bei: Viele Rezensenten sind der Ansicht, Argento kann dieses Werk unmöglich ernst gemeint haben, konkrete Anzeichen, daß es sich um eine Persiflage handelt, bietet der Film jedoch nur in winzigen Details. Ich jedenfalls, der ich die Vampirfilme der 60er Jahre so sehr mag, daß ich alle schon 3-4 mal gesehen habe, freute mich sehr, diese heimelige Ästhetik der dunklen Wälder, kargen Räume, tiefen Dekolletés und heulenden Theremins 50 Jahre später unverhofft noch einmal besuchen zu dürfen.

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Donnerstag, 17. Oktober 2013
August in the Water
Mizu no naka no hachigatsu, Japan 1995, Regie: Sogo Ishii



Die angekündigte Dürre ist für die Stadt in den Sommermonaten nichts außergewöhnliches, in diesem August geschehen aber noch weitere merkwürdige Dinge: Gleich zwei Meteoriten stürzen in der Nähe ab und eine unbekannte Krankheit verbreitet sich, durch die immer mehr Leute auf der Straße zusammenbrechen, da ihre inneren Organe versteinern. Es ist aber auch der Sommer, in dem sich zwei Schuljungen und beste Freunde in die neue Klassenkameradin Izumi verlieben, die ein Ass im Turmspringen ist. Nach einem bizarrem Unfall fällt sie jedoch in ein kurzes Koma, und als sie aus diesem erwacht, nimmt sie Dinge wahr, die für alle anderen verborgen bleiben und wird in psychiatrische Behandlung geschickt...



Bei Filmen wir diesem wird klar, warum so viele japanische Filmperlen außerhalb ihres Entstehungslandes kaum wahrgenommen werden: Man kann sie einem westlichem Publikum nicht so ohne weiteres verkaufen. Das fängt schon bei der Frage des Genres an: August in the Water ist wohl am ehesten ein Drama, aber auch Science-Fiction, eine tragische Teenager-Liebesgeschichte, etwas Horror und auch New Age-Esoterik. Der Plot sprüht über von fantasievollen, teilweise aberwitzigen Ideen, die man einfach hinnehmen muß und läßt viele Fragen offen - am ehesten ist das wohl in unserer Kultur noch mit dem magischen Realismus zu vergleichen, den man jetzt auch nicht unbedingt eine Mainstream-Bewegung nennen kann.



Die zahlreichen Szenen von plötzlich auf der Straße sterbenden Menschen erinnern sehr an des Regisseurs späteren Isn't anyone alive, den ich etwas unausgegoren fand - hier schafft er es aber durchaus, die disparaten Elemente zu einem harmonischem Ganzen zu fügen, das trotz der Prämisse auch nicht ganz so finster ausgefallen ist wie das spätere Werk. Langsam erzählt, mit grandiosen Panoramashots erscheint der heiße Sommer hier wie ein Fiebertraum und wird sogar noch durch "richtige" Träume zusätzlich gebrochen.



Dabei wird auf zahlreiche Motive und philosophische Fragen zurückgegriffen: Außerirdische, die Herkunft des Menschen oder auch uralte mystisch beschriftete Steine, was mich an den ebenfalls tollen Okaruto erinnerte. Doch, der eigentlich für schrilles, schnelles und lautes Kino bekannte Sogo Ishii beweist hier, daß er auch leise und langsam kann, ohne dabei auf abseitige Ideen zu verzichten.

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