Montag, 5. September 2011
William Hope Hodgson: Das Haus an der Grenze
Mal wieder so ein Klassiker der Phantastischen Bibliothek/Bibliothek des Hauses Usher, der wohl schon über 20 Jahre bei mir im Regal stand, bevor ich dann doch mal zum Lesen kam. Im Unterschied zu des Autors unheimlichen Seegeschichten oder den Erzählungen über "Carnacki, The Ghost-Finder", von denen hier auch drei enthalten sind, geht die lange Titelerzählung, eher wohl Novelle, hier auch in Science Fiction und Fantasy-Bereiche vor: Wanderer finden in einer merkwürdigen Ruine in einer abgelegenen Ecke Irlands das Tagebuch eines Einsiedlers, der dieses Haus wohl vor einigen Jahren bewohnt hat. Sein Bericht ist sehr sonderbar: Merkwürdige Schweinswesen, die wie Menschen aufrecht gingen, seien aus einer Höhle in der nahegelegenen Schlucht gekommen und hätten sein Haus belagert, das er nur mit Müh und Not verteidigen konnte. Dann hat er dort immer merkwürdige Zustände der Entrückung und reist merkwürdig schwebend in andere Zeitalter und auf andere Planeten. Diese Stellen fand ich auf Dauer etwas fad und anstrengend, aber bei den unheimlichen Passagen ist Hodgson mal wieder in Höchstform.

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Mittwoch, 29. Juni 2011
Eugen Egner: Schmutz
Ich hinke ein wenig hinterher mit den Büchern meines derzeitigen deutschen Lieblingserzählers, das hängt wohl auch damit zusammen, daß ich häufig dazu tendiere, mir die besonders leckeren Pralinen noch eine Weile aufzuheben und nicht direkt zu verschlingen. Auch hier (vgl. meinen Eintrag zu Nach Hause) würde ich gerne einige der Geschichten sofort verfilmen, wenn ich könnte. "Schnee" stelle ich mir dabei besonders hübsch im Gewand eines japanischen Geisterfilms aus den 60er Jahren vor. Aber auch die anderen Erzählungen sind große Klasse: Egner verwendet als Ausgangssituation meist nüchterne Bestandsaufnahmen des drögen, alltäglichen deutschen Lebens, die unerwartet zunächst ins Groteske, dann aber schlußendlich ins absolut Grauenvolle hinüberkippen. Die Texte funktionieren auch deshalb so gut, weil der Autor über eine scharfsinnige Beobachtungsgabe des Alltagslebens, zahlreiche wundervoll abseitige Ideen und einen bemerkenswert ambivalenten Stil verfügt, der es dem Leser überlässt, wie ernst er das alles zu nehmen hat. Das ist wohl die Zukunft der deutschen Horror-Literatur, wenn nicht sogar der ganzen Welt.

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Mittwoch, 23. März 2011
Claude Seignolle: Die Gezeichnete
Obwohl ihm die Einheimischen davon abraten, möchte ein von auswärts kommender Bauer das Land in der Nähe des Flusses "Malnoue" urbar machen. Zunächst scheinen seine Versuche erfolgreich, doch als er eines Tages durch das Feld pflügt, stößt er im Boden auf Widerstand und gräbt den Kopf einer alten Frauenstatue aus. Nachdem er diesen Kopf mit nach Hause genommen hat, häufen sich merkwürdige Ereignisse. Selbst 20 Jahre später scheint die Statue einen merkwürdigen Einfluß auf die einzige Tochter des Bauern zu haben...

Claude Seignolle verarbeitete in seinen Romanen und Erzählungen hauptsächlich alte Legenden aus seiner Heimat, der Sologne. Diese prägen auch diesen, 1952 erschienenen Roman, der neben dem Sagenstoff auch zahlreiche Beschreibungen des französischen Landlebens enthält. In Sachen Stil und Motive ist Seignolle schon relativ einzigartig und transportiert eine sehr eigene Stimmung. Ich würde gerne auch mal die Verfilmungen seiner Stoffe sehen, von denen wohl einige für das französische Fernsehen entstanden sind. Der Roman "Die Gezeichnete" verfügt allerdings auch über ein paar ermüdende Wiederholungen und Vorhersehbarkeiten - der andere von ihm in deutscher Übersetzung vorliegende Roman "Marie, die Wölfin" (DuMont 1991) hat mir wesentlich besser gefallen.

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Freitag, 3. Dezember 2010
Jonathan Carroll: Schlaf in den Flammen
Als schon seit längerem in Wien lebender Amerikaner ist Carroll ein wenig the best of both worlds, einerseits kulturhistorisch bestens mit der alten Welt vertraut, andererseits von einer kalifornischen Unbeschwertheit. Hier läßt er sogar eine Figur ein Meat Puppets-T-Shirt tragen, und der Roman stammt von 1988, also lange vor Majorlabeldeals und Nirvana-Coverversionen. Auch sein Stil ist äußerst angenehm und der Plot setzt sich hier, wie auch in den anderen Büchern, die ich bislang von ihm gelesen habe, angenehm zwischen alle Stühle. Es ist phantastische Literatur, aber nicht explizit Horror, nicht explizit Fantasy, nicht explizit Science-Fiction, sondern von allem etwas, gepaart mit einer präzisen Beobachtungsgabe und einem oft ironischen Blick auf den derzeitigen Zustand des Menschen.

Das war jetzt alles sehr vage und allgemein, um mal auf diesen konkreten Roman einzugehen: Hier geht es um einen in Wien gestrandeten amerikanischen Schauspieler und Drehbuchautor (klar, definitiv autobiographisch - Carroll schrieb übrigens auch das Drehbuch zu Patzaks Der Joker mit Maffay), der in der österreichischen Hauptstadt nicht nur einige merkwürdige Träume hat, sondern zufällig auch auf das Grab einer Person stößt, die ihm wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Zeitgleich verliebt er sich auch noch in die Bekannte eines Freundes, die vor ihrem gewalttätigen Ex aus München nach Wien flieht und durch ihre Ankunft die rätselhaften Ereignisse noch potenziert. Die kalifornische Reinkarnations-Episode mit ihrem Esoterik-Blabla störte mich ein wenig, machte aber bald wieder originelleren Ideen Platz. Sympathischer Autor, sympathisches Buch. Das etwas elegischer ausgefallenere "Die Stimme unseres Schattens" hat mir allerdings noch ein Stück besser gefallen.

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Dienstag, 26. Oktober 2010
Leo Perutz: Zwischen Neun und Neun
Wenn man sich für eine akademische Arbeit Texte aussucht, kann es schon mal vorkommen, daß man nach der x-ten Lektüre langsam die Lust an ihnen verliert. Für meine Magisterarbeit hatte ich mir einen meiner Lieblingsautoren vorgenommen und insgeheim befürchtet, er könnte danach für mich persönlich an Wert verlieren - glücklicherweise habe ich mich geirrt, denn so spannend die Romane von Leo Perutz bei der ersten Lektüre auch sein mögen, sie verlieren auch bei weiteren Durchgängen nicht ihren Reiz weil man immer neue Facetten, immer neue mögliche Lesarten entdeckt.

Mein erster Kontakt mit Perutz fand wie so oft via Grabbelkiste statt, aus der ich 1983 das Moewig-Taschenbuch von "Der schwedische Reiter" herauszog. Das Buch wurde von mir regelrecht verschlungen und ich wollte sofort mehr. Zu meiner großen Freude hatte die lokale Buchhandlung Mühlbauer in Geilenkirchen drei weitere Romane des Autors im Regal stehen, in teils schon vergriffenen dtv-Ausgaben. Eins davon war "Zwischen Neun und Neun" und auch wenn es in erzählerischer Finesse nicht an sein späteres Meisterwerk "Nachts unter der steinernen Brücke" heranreicht, ist es immer noch mein Lieblingsbuch.

Die Geschichte um den Studenten Stanislaus Demba, der durch Wien hetzt und dabei ein für seine Mitmenschen äußerst seltsames Verhalten an den Tag legt, blättert langsam ein Geheimnis nach dem anderen auf und wird dabei immer mitreißender, bis zum höchst emotionalem Ende. F.W. Murnau war damals an einer Verfilmung interessiert, aber da hatte Perutz die Rechte bereits an die MGM verkauft, und die sitzen da bis zum heutigen Tage drauf. In Sachen Film hat es bei dem Autor leider nie so richtig geklappt, wobei sich jedes seiner Bücher für eine anständige Adaption anbieten würde. Dazu habe ich aber in der Vergangenheit schon genug geschrieben, das muß hier nicht alles wiederholt werden. Wer meine Magisterarbeit lesen will, findet diese auch im Quarber Merkur 99/100, der aber mittlerweile auch vergriffen zu sein scheint. Mit etwas Glück findet man ihn vielleicht noch, aber wohl nicht in der Buchhandlung Mühlbauer in Geilenkirchen, denn die gibt es nicht mehr.

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Dienstag, 28. September 2010
Philip K. Dick: Nach der Bombe
Da sich der Wissenschaftler Bruno Bluthgeld verkalkuliert hatte, führte ein Test von Nuklearwaffen in der Erdatmosphäre im Jahr 1974 zu Fallout und Mutationen. 7 Jahre später wird es noch schlimmer und ein Atomkrieg zwischen China, Russland und den USA bricht aus. Wieder 7 Jahre später begegnen wir nun den wenigen Überlebenden im nördlichen Kalifornien, die teilweise stark mutiert sind, aber doch versuchen, irgendwie weiterzuleben...

Obwohl in seiner besten Periode entstanden, würde ich den Roman nicht zu meinen Lieblingen des Autors zählen. Er ist jedoch ein schönes Beispiel für Dicks Vielseitigkeit und durchaus lesenswert. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf den interessanten Figuren, die der Autor während des Schreibens scheinbar richtig liebgewonnen hat und die demzufolge bis auf ein paar Ausnahmen durchaus auf eine bessere Zukunft hoffen können. Diese Menschen schaffen es, weiterzuleben und sich mit den widrigen Umständen zu arrangieren. Dabei kommt auch viel Humor und Satire zu tragen, während phantastische Elemente zwar vorhanden sind, aber eher nebenbei erwähnt werden. Die von Dick gewohnten und geschätzten Unterwanderungen des Realitätsstatus kann man hier nur mit großer Mühe finden, stattdessen überrascht die trotz des Sujets überraschend positive Botschaft. Ja, ein gutes Buch, aber in den düsteren Texten finde ich Dick noch meisterlicher.

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Donnerstag, 9. September 2010
Jack D. Shackleford: Schwarzer Sommer
Wenn auch qualitativ nicht so hochwertig wie die nachfolgende Reihe "Phantastische Literatur", so hatte auch die von 1978 bis 1980 existierende "HORROR-Bibliothek" aus dem Bastei-Lübbe-Verlag eine Menge Charme. So erschienen hier zum ersten Mal in deutscher Sprache Horror-Romane des seit den 30er Jahren aktiven britischen Vielschreibers Dennis Wheatley sowie die erste Übersetzung eines Ramsey Campbell-Romans. Ansonsten gab es u.a. literarische Vorlagen zu Filmen der Zeit wie Der Manitou oder Der Teufel auf Rädern sowie einiges Lovecraft-Verwandtes. Zwischendrin aber auch Romane von reichlich unbekannten Autoren, wobei "Die Stadt und der Fluch" von Stephen Marlowe (Milton Lesser) allein schon durch den Klappentext interessant ist, der dem Autor das Pseudonym Stephen King zuwies, den zu dieser Zeit hierzulande aber auch kaum jemand kannte. Gleich zwei Romane erschienen von dem Briten Jack D. Shackleford, einen davon habe ich mir mal als Lektüre für die Zugfahrten zum Fantasy Filmfest und zurück aus dem Regal gezogen.

Felicia "Flick" Craig ist ein ehemaliges Fotomodell, das in die Prostitution gerutscht ist und nach Ärger mit einem wichtigen Kunden von ihrem Zuhälter das Gesicht zerschnitten bekommt. Sie flüchtet zu ihrer ehemaligen besten Freundin, die inzwischen geheiratet hat und aufs Land gezogen ist. Dort muß sie erschreckt feststellen, daß ihre Freundin den Verstand verloren zu haben scheint und wie ein Gemüse unter Medikamenten dahinvegetiert. Sehr merkwürdig auch ihr Mann und dessen Schwester, die im Dorf nicht wohl gelitten sind...sind sie etwa Satanisten?

Ein Buch wie ein sleaziger italienischer Horrorfilm aus den 70ern, mit viel Sex, Dekadenz und verruchtem Verhalten. Hier und da finden sich allerdings bizarre Details, die man in einem Film der Periode wohl nicht ohne weiteres zu sehen bekommen hätte. Trotz einiger erzählerischer Defizite und einer wohl unter hohem Zeitdruck entstandenen Übersetzung ein nett pulpiger Spaß für zwischendurch.

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Samstag, 21. August 2010
Jeder Dämon hat seinen Preis
Es ist ein wenig schwierig zu entscheiden, wann die literarische Form der "Horrorgeschichte" wirklich entstanden ist. Es fand vielmehr ein fließender Übergang von der "Geistergeschichte" statt, die im frühen 20. Jahrhundert aus der Feder von Autoren wie M.R. James schon wesentlich drastischer daherkam. Dann kamen "Weird Tales", Lovecraft und Konsorten, und alles wurde wieder anders. In den 60er und 70er Jahren ist jedoch eine Tendenz von kleinen, nicht unbedingt übernatürlichen Erzählungen zu beobachten, die vor allem in Sachen Zynismus ordentlich reinkloppen. Eine der frühesten und nach wie vor besten Sammlungen von dieser Art Geschichten erschien 1978 in der sympathischen "dtv phantastica"-Reihe und versammelt einige durchaus als Klassiker der modernen Horrorgeschichte gelten könnende Exemplare aus der Feder von Robert Bloch, Richard Matheson, Brian Lumley, Gerald W. Page und anderen. Ich habe ja auch eine Menge Spaß bei den Heyne-Anthologien und Pabel-Taschenbüchern dieser Zeit, aber hier bekommt man die Créme de la Créme serviert und braucht keine Ausfälle zu befürchten.

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Dienstag, 20. Juli 2010
Henry S. Whitehead: Der Zombie
Als es noch kein ebay oder Amazon Marketplace gab, (und als ich auch noch studieren konnte und nicht arbeiten mußte) habe ich viel Zeit beim Durchwühlen von Grabbelkisten und modernen Antiquariaten verbracht. Dabei schleppte ich meist mehr Bücher nach Hause, als ich lesen konnte. Immerhin kann ich jetzt noch von den damals getätigten Schnäppchen zehren. Fand ich Bände aus Suhrkamps "Phantastischer Bibliothek", die ich noch nicht hatte, wußte ich aus Erfahrung, daß man damit nicht viel falsch machen konnte. Den vorliegenden Band habe ich irgendwann Anfang der 90er mal mitgenommen, und erst jetzt gelesen, einerseits ist die Reihe ja mittlerweile leider ausgelaufen, und ich hebe mir noch ein paar Schätzchen auf, andererseits hatte ich damals die Titelerzählung in einer Anthologie gelesen und fand sie nicht so gelungen, um gleich mehr vom Autoren lesen zu wollen. Diesmal gefiel sie mir besser, ich würde aber auch sagen, daß es sich um die schwächste Erzählung der Sammlung handelt. Viel mehr mundet da doch die bizarre Grundidee von "Cassius", der fast schon episch zu nennende Seemansgarn "Der Henkerstrick wird siebenmal geschlungen" sowie die irrwitzige Geschichte um "Williamson". So auch die meisten Erzählungen auf den westindischen Inseln spielen und die dortigen Mythen im Vordergrund stehen, kann man sich bei dieser Auswahl nicht über mangelnde Abwechslung beschweren. Whitehead veröffentlichte seine Erzählungen etwa zur gleichen Zeit wie Lovecraft die seinigen in "Weird Tales", steht aber deutlicher in der Tradition britischer Vorbilder, Algernon Blackwood wird sogar namentlich erwähnt. Die Klasse von dessen besten Erzählungen erreicht Whitehead nicht, seine Texte sind aber durchaus lesenswerte Beispiele aus der Übergangsperiode der Geistergeschichte zur Horrorgeschichte.

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Sonntag, 4. Juli 2010
Shirley Jackson: Wir haben schon immer im Schloß gelebt
Aus der Perspektive des jungen Mädchens Merricat erleben wir die Geschehnisse auf einem alten Landsitz: Es ist nicht besonders schön, was dort vor sich geht, vielmehr deutet alles in Richtung Tod und Verderben. Doch können wir unserer Erzählerin wirklich trauen? Sie scheint ein sehr eigenwilliges Mädchen zu sein...
Warum, oh warum hat dieses Buch eigentlich noch kein Schwein verfilmt? "The Haunting of Hill House" war geil und die Verfilmung von Robert Wise ein Klassiker (zu meiner Einschätzung des Remakes mag sich der geneigte Leser eine Badewanne voller Erbrochenem vorstellen), aber in "We have always lived in the Castle" aus dem Jahr 1962 ging die liebenswert misanthropische Autorin noch einen ganzen Schritt weiter und läßt ihre sowohl psychopathische als auch sympathische Hauptfigur poetische Einschätzungen des Lebens absondern, die der Wahrheit schon ziemlich nahe kommen. Es ist alles schon ziemlich deprimierend und düster und für einen Popcorn-Film vollkommen untauglich. Aber es steckt viel, sehr viel Potenzial in dieser außergewöhnlichen Geschichte.

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