Dienstag, 24. August 2010
Karateci kiz
The Golden Karate Girl, Türkei 1974, Regie: Orhan Aksoy



Seit dem Tode ihrer Mutter ist Zeynep stumm. Aufgrund ihrer freundlichen Art und ihrem guten Aussehen, gelingt es ihr aber, in Istanbul zahlreiche der von ihrem Vater gezüchteten Nelken zu verkaufen. Das so eingenommene Geld wird gespart für eine Operation, damit Zeynep endlich wieder sprechen kann. Dummerweise brechen aber 5 Schwerkriminelle aus dem Gefängnis aus, klauen das Geld, ermorden Papa und vergewaltigen Zeynep. Der Schock bringt ihr die Sprache wieder, aber mit der Sprache auch den Wunsch nach Rache...



Was man türkischen Exploitation-Filmen ja keineswegs vorwerfen kann, ist, daß sie lange um den heißen Brei herumreden. Die Positionen werden relativ eindeutig gesetzt und für Ambivalenz ist kein Platz. Hier ist der Abschaum, da sind die Helden. Im vorliegenden Fall muß sich die Heldin freilich erst darüber bewußt werden, daß sie eine ist und es ist ein großer Spaß, ihr dabei zuzusehen, wie sie jede Menge Machos mit Schnurrbart in die Fresse tritt, scheint doch ansonsten gerade das Frauenschlagen äußerst populär zu sein. Schlußendlich sind alle Widerlinge tot oder eingebuchtet, aber unser güldenes Karatemädchen scheint seine Zweifel zu haben, ob es sich dabei tatsächlich um ein Happy End handelt...

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Sonntag, 22. August 2010
El Caminante
The Traveler, Spanien 1979, Regie: Paul Naschy



Im Spanien des 18. Jahrhunderts hat der Teufel Menschengestalt (Paul Naschy) angenommen und zieht über das Land. Gier und Habsucht dominieren die meisten Menschen, die er trifft, und um diese Exemplare ist es nicht schade, wenn Satan ihnen übel mitspielt. Dann und wann begegnet ihm auch eine gute Seele, aber mit hinterhältigen Demütigungen kann er auch diese entweder ins Gegenteil verkehren oder zum Selbstmord treiben...



Und die Moral von der Geschicht? Moral und Tugend bringen es nicht! Zwischen schnell heruntergedrehten eher konventionellen Horrorfilmen gelang es Naschy auch mal, eher außergewöhnliche und ambitionierte Projekte wie dieses hier durchzuführen. Der bittere Rundumschlag gegen die Niedertracht des Menschen im Allgemeinen und die Heuchelei des Klerus im Besonderen wird aber durch einzelne Episoden getrübt, die eher wirken, als würden sie aus einer zotigen Sex-Komödie stammen. Nichtsdestotrotz sind aber sowohl die Landschaftsausnahmen (toller Vertipper, muß ich mir merken) als auch die weiblichen Darsteller und vor allem Naschy ganz in seinem diabolischem Element äußerst hübsch anzusehen.

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Donnerstag, 19. August 2010
La Traque
Ein wildes Wochenende/The Track, Frankreich/Italien 1975, Regie: Serge Leroy



Die junge englische Dozentin Helen schaut sich in der französischen Provinz eine einsame Waldhütte an, um dort evtl. ihren Urlaub zu verbringen und ein wenig Abstand von allem zu gewinnen. Gleichzeitig unternimmt eine Gruppe angesehener Bürger des nahegelegenen Dorfes im selben Wald eine Wildschweinjagd. Unter ihnen zwei schon recht besoffene Schrotthändler, die bei der verwitterten Ruine einer Kapelle auf Helen treffen und sie vergewaltigen. Bei ihnen der schüchterne Dorftrottel, der vor Schreck sein Gewehr vergißt, welches von der Frau später dazu benutzt wird, ihrem Peiniger in den Bauch zu schießen. Zunächst wollen die besonnereren der Gruppe die Situation zu einem friedlichen Ausgang führen, doch da selbst der Bürgermeisterkandidat und der fromme Philantrop über schmutzige Geheimnisse verfügen, die anderen aus der Jagdgesellschaft bekannt sind, heißt es bald mitgefangen, mitgehangen und die Jagd auf Helen ist eröffnet...



Ohne Zweifel mit Chabrols Angriffen auf provinzielle Kleinbürger-Hierarchien verwandt, besticht der Film durch seine grandiosen Darsteller (vor allem Mimsy Farmer), die herbstlichen Locations und seine unerbittliche Spannungsschraube. So richtig plättet einen aber erst das unerwartete Ende, das die Vorgehensweise anderer Most Dangerous Game-Varianten fast schon umdreht, und das ich, um nicht noch mehr zu spoilern, lieber in unsichtbarer Tinte beschreibe:
Während die Jagd selbst noch mit gängigen Mitteln umgesetzt wird, besteht das Finale nur aus reiner Nicht-Aktion: Da niemand den "Gnadenschuß" abfeuern und sich damit mehr schuldig als die anderen der Gruppe machen will, schauen alle einfach dabei zu, wie die angeschossene, um Hilfe bettelnde Helen quälend langsam in einem Fluß ertrinkt. Danach dann Schwamm drüber, business as usual.


Ich denke, der Film dürfte noch einen wesentlich größeren Einfluß auf Calvaire gehabt haben als Deliverance, nicht nur wegen der ähnlich ausschauenden Locations. Daß der Filmdienst hier eine "Komödie" vorzufinden meint, ist für mich unverständlich, aber ich kenne auch die deutsche Synchronisation nicht, der deutsche Titel ist ja schon ein bißchen, äh, unpassend. In der Originalversion gibt es jedenfalls gar nix zu lachen.

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Freitag, 13. August 2010
The Day of Love
Den lyubvi, Sowjetunion 1991, Regie: Aleksandr Pollynikov



Um die Polizei von einem geplanten Diebstahl von 15 Lastwagen abzulenken, engagiert ein Gangsterboss die Jugendgang der Motalkas: Diese sollen den „Tag der Liebe“ ausrufen und in kürzester Zeit an öffentlichen Plätzen so viele Frauen vergewaltigen wie möglich. Für jede erfolgreiche Schändung gibt es hundert Rubel. Aus Publicitygründen haben sie sich auch die jüngst zur Schönheitskönigin gewählte Kristina als Opfer ausgesucht, dabei wollte diese eigentlich am nächsten Tag mit ihrem leiblichen Vater Matthias nach Deutschland ziehen und lernt schon fleißig Vokabeln...



Huch, was war das denn jetzt? Mit einer dermaßen mit Wunderlichkeiten vollgestopften Action-Sleaze-Granate hatte ich jetzt nicht gerechnet. Sicherlich handelt es sich nicht um einen besonders gut gemachten Film, von Bildkomposition haben die Verantwortlichen wohl selten was gehört und von effektiver Narration auch nicht. Am Anfang werden einem zahlreiche Figuren und Szenen vor die Füße geworfen, die überhaupt nicht harmonieren, Lastwagen, die durch die Wüste fahren, ein Schönheitswettbewerb mit jeder Menge Tanzszenen (Lambada!) und häßlichen Typen im Publikum, dann wieder Lastwagen, Lastwagen, immer wieder Lastwagen! Kristinas Stiefvater Nicolaj ist wohl einst bei der Rallye Paris-Dakar mitgefahren und das sind wohl Flashbacks. Aber sie ergeben überhaupt keinen Sinn, stehen in keinerlei Zusammenhang mit dem Rest der Geschichte und kommen vor allem viel zu oft. Das wäre nun ziemlich anstrengend, würde der Film nicht an zahlreichen anderen Stellen haufenweise überraschende Details präsentieren.



So schaut Kristina zusammen mit einer Freundin oben ohne Cobra mit Stallone und der sie rächende Stiefvater übernimmt die Art und Weise der Erledigung des finalen Gangsters mittels Flaschenzug und Hochofen, was diesen sichtbar verstimmt. „Was soll denn das? Du bist doch nicht Stallone!“ Das ist Nicolaj tatsächlich nicht, weder sieht er besonders gut aus, noch ist ihm ein Happy End vergönnt. Die Motalkas sind auch so ein Fall und erinnern an Clockwork Orange, nur bestehen ihre Uniformen aus schwarzen T-Shirts und Streifenhosen, zur Vergewaltigung tragen sie aber auch schon mal Tiermasken. Die Verfolgungsjagden mit alten Karren durch endlose Straßen voller trister Wohnsilos erinnern ein wenig an italienische Polizeifilme der 70er, der Pessimismus ebenso. Möglicherweise ist hier einiges willkürlich zusammengetackert, aber die Verwendung von David Hasselhoffs Lights in the Darkness (Anklicken auf eigene Gefahr) während der beiden grimmigsten Szenen kann eigentlich nur als ironischer Kommentar gedacht sein, so von der Art: Ist ja schon ganz toll, diese Demokratisierung! Danke, lieber Westen! Einen Film wie diesen voller bizarrer Kleinigkeiten zu sehen, macht schon sehr viel Freude. Nur den blöden Hasselhoff-Song kriege ich jetzt nicht mehr aus dem Kopf.

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Montag, 9. August 2010
Backyard
El traspatio, Mexiko 2009, Regie: Carlos Carrera



Ciudad Juárez liegt an der Mexikanischen Grenze direkt gegenüber von El Paso, Texas und beherbergt zahlreiche Fabriken ausländischer Konzerne, in denen hauptsächlich Frauen arbeiten. Als die Anzahl von Sexualmorden bedrohlich ansteigt, wird eine auswärtige Polizistin mit den Fällen betraut, und sie kann auch bald einen Verdächtigen ermitteln. Doch derweil werden immer mehr Frauenleichen gefunden, die unmöglich alle auf das Konto eines einzigen Mannes gehen können...



Auf die Frauenmorde in Ciudad Juárez wurde ich zum ersten Mal durch ein Video von At the Drive-In (Mein Gott, ist die Platte auch schon wieder 10 Jahre her?) aufmerksam. Seitdem steigt die Zahl der ermordeten Frauen kontinuierlich, wird aber noch überschattet von den noch immenser wachsenden Todesopfern der lokalen Drogenkriege. Mag man am Anfang von Backyard noch analog zu den ermittelnden Polizisten denken, es „nur“ mit einem Serienmörder zu tun zu haben, offenbart sich schon bald, daß das Problem ein äußerst komplexes und vielschichtiges ist. Frauenfeindlichkeit gehört unter harten Kerlen zum guten Ton und durch die zahlreichen ausländischen Fabriken kommen immer wieder neue in die Stadt, bevor sie auf dem Land eingehen. Bezeichnend der Dialog des Gouverneurs mit den Fabrikbesitzern, der diesen die Einrichtung von Selbstverteidigungskursen und Straßenlaternen vorschlägt, um die Sicherheit der Arbeiterinnen zu verbessern – dies wird aber aus Gründen des Budgets abgelehnt und mit der Drohung verknüpft, man könne die Fabriken auch nach Bangladesch oder Thailand verlegen, dort würden die Frauen auch für 87 cent die Stunde arbeiten statt der hier üblichen 1,05 $. Lange Zeit keinen Film mehr gesehen, bei dem mir so schlecht geworden ist. Und das ist als Empfehlung zu verstehen. Backyard läuft dieses Jahr auf dem Fantasy Filmfest und sonst möglicherweise nirgendwo mehr. Ein Problem düfte sein, daß die Morde bereits in dem Film Bordertown behandelt wurden, der mit einigen bekannten Namen geschmückt war, zwar auch nicht vor einer Anklage der amerikanischen Verantwortlichen zurückschreckte, aber doch einige Hollywood-Konventionen bediente, die in dieser mexikanischen Variante beinah ganz fehlen und es dem Zuschauer so gut wie unmöglich machen, hier nur einen „unterhaltsamen Thriller“ zu sehen.

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Montag, 2. August 2010
Inappropriate Behaviour
GB 1987, Regie: Paul Seed



Quasi als Experiment wird die Psychologin Jo in einer ländlichen Schule eingesetzt, um sich der schwierigen Fälle unter den dortigen Pennälern anzunehmen. Eine besonders harte Nuss ist die burschikose Helen, die meistens gar nicht erst zum Unterricht erscheint und wenn sie dann doch auftaucht, direkt in Schlägereien verwickelt ist. Der Psychologin ist bald klar, daß die Schülerin weder dumm noch böse ist, sondern einfach nur grundsätzlich anders tickt. Nach einer Weile entwickelt sich sogar so etwas wie Freundschaft zwischen den Beiden, doch als Jo Helens Familie auf dem Bauernhof kennen lernt, ahnt sie, daß dort unter der Oberfläche äußerst unangenehme, unausgesprochene Konflikte brodeln, die in Zusammenhang mit Helens schüchterner Schwester Shirley zu stehen scheinen...



Bei Geschichten, die auf entlegenen englischen Bauernhöfen spielen, muß ich ja zunächst immer an All Creatures Great and Small denken, aber bereits bei Beasts war zu beobachten, daß dort nicht nur amüsant-schrullige Charaktere wohnen können, sondern auch der blanke Horror. Dieser ist hier freilich eher im übertragenen Sinne gemeint, manifestiert sich das Grauen nicht mit übernatürlichen Elementen, sondern durch leider allzu realistische menschliche Niedertracht, die vom sozialen Umfeld konsterniert einfach so hingenommen wird. War halt schon immer so Scheiße, kann man auch nichts dran ändern. Oder vielleicht doch? Die Lösung, die hier schlußendlich offenbart wird, ist noch viel ungemütlicher als die Situation selbst. Was wie ein gesellschaftskritisches Sozialdrama beginnt, steigert sich mit und mit in das komplette Grauen und ähnlich der Protagonistin, die eigentlich nur helfen wollte, schaut man der Katastrophe hilflos zu. Ein äußerst düsterer und effektiver Film mit tollen Darstellern und grimmigen Seitenhieben auf die britische Kulturgeschichte, dessen Titel nicht nur zweideutig ist, sondern auf mindestens fünf verschiedene Arten und Weisen interpretiert werden kann.

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Samstag, 31. Juli 2010
En la palma de tu mano
In the Palm of Your Hands, Mexiko 1951, Regie: Roberto Gavaldón



In einer schäbigen Hinterhofgasse von Mexico City betreibt "Professor Karin" sein Geschäft als Handleser und Wahrsager. Als ein reicher Kunde die Befürchtung ausspricht, von seiner Frau langsam vergiftet zu werden und kurze Zeit später tot aufgefunden wird, sieht Karin seine Chance auf das große Geld gekommen, indem er die Witwe erpresst. Diese ist aber nicht auf den Kopf gefallen und auch nicht ohne Reize...



Der Film braucht sich hinter den amerikanischen Film Noir-Klassikern nicht zu verstecken: Geschliffene Dialoge, tolle Figuren und Darsteller, wundervolle Fotografie und ein spannender Plot voller Twists und tragischer Rückschläge. Regisseur Gavaldón, dessen Macario in einem ganz anderen Genre ebenfalls überzeugen konnte war wohl unbestritten ein Meister seines Fachs, weitere Filme von ihm habe ich mir schon vorgemerkt.

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Montag, 26. Juli 2010
Veld
Sowjetunion 1987, Regie: Nazim Tulyakhodzayev



In einer unbestimmten Zukunft: Michael und Linda sind etwas besorgt wegen des neuen Spielzeugs ihrer Kinder – ein virtueller Raum, in dem mittels Fernsehwänden abenteuerliche Realitäten geschaffen werden können. Besonders die afrikanische Steppe mit ihren Raubtieren scheint es den Kleinen angetan zu haben und dann und wann wird das Ehepaar nachts von Löwengebrüll aus dem Schlaf gebracht. Auf den Straßen graviert derweil eine neue Seuche: Geliebte Tote kehren zu ihren Familien zurück, werden aber von Einsatzkommandos der Regierung in Schutzanzügen erneut totgeschlagen und in gepanzerte Container verfrachtet...



Wow. Diese eigenwillige Verfilmung mehrerer Erzählungen aus der Feder von Ray Bradbury kippt deren zuweilen optimistisch-sentimentale Haltung komplett über Bord zugunsten einer universellen Bitterkeit. Vortrefflich fotografiert in beeindruckenden, trostlosen Locations und von einem atmosphärischem Score begleitet, taumelt der Film zwischen Horror und Science-Fiction und ist zugleich sowohl politische als auch philosophische Parabel. Das im gequetschten Bildformat verwendete Stock Footage bei einigen Szenen fällt zwar ein wenig unangenehm auf, aber übrig bleibt immer noch ein verdammt origineller, beeindruckender Film. Tulyakhodzayev bearbeitete bereits 1984 in dem animierten Kurzfilm There will come soft rains einen Stoff von Ray Bradbury, mit The Thirteenth Apostle entstand ein Jahr später eine weitere düstere Adaption in der Sowjetunion, bei der aber für meinen Geschmack der philosophische Aspekt etwas zu stark im Vordergrund stand.

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Dienstag, 20. Juli 2010
The Little Apocalypse
Küçük kiyamet, Türkei 2006, Regie: Durul & Yagmur Taylan



Bilge möchte mit ihrer Familie in Urlaub fahren, und da ihre Schwester gerade eine Ausstellung vorbereitet und im Stress ist, nimmt sie deren Kinder gleich mit. Am Tag vor der Abreise erschüttert ein Erdbeben Istanbul, doch man kommt unverletzt davon und macht sich auf den Weg. Das Ferienhaus, der Hausmeister und die angrenzenden Dorfbewohner machen jedoch einen sehr seltsamen Eindruck, ebenfalls häufen sich merkwürdige Ereignisse...



Dem erfahrenen Horrorfilmzuschauer dürfte schon recht bald klar sein, wo die Reise eigentlich hingeht, macht aber nichts, da der Film, vielleicht von dem ein oder anderen Klischee abgesehen, eher Wert auf Stimmung und Atmosphäre legt. Dank einer exzellenten Fotografie und einem zurückhaltendem Score gelingt dies auch: Man kann die flirrende Hitze am Urlaubsort förmlich spüren, aber ebenso das lauernde Unheil. Es ist dem Film auch hoch anzurechnen, daß er diese Vorgehensweise niemals für billige Schocks aufgibt, er wird vielmehr immer elegischer, wobei das letzte Drittel mich schon stark an Donnie Darko erinnert hat, aber das ist ja durchaus kein schlechtes Vorbild.

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Sonntag, 18. Juli 2010
Moonlight Boy
Yue guang shao wian, Taiwan 1993, Regie: Wie-Yen Yu



Der Junge Xiau Feng rennt durch das nächtliche Taipei und versucht, Kontakt mit seiner Schwester aufzunehmen, diese scheint ihn jedoch gar nicht wahrzunehmen. Feng ist sich auch gar nicht sicher, ob diese Begegnungen tatsächlich stattgefunden haben, oder nicht nur ein Traum gewesen sind, wacht er doch immer wieder in einer einsamen Höhle in der Gesellschaft eines alten Mannes auf...



Einige Jahre bevor das westliche Kino mit Filmen wie The Sixth Sense oder The Others den Geisterfilm wiederentdeckte und mit der Erzählperspektive spielte, erschien dieser bemerkenswerte invertierte Geisterfilm. Die Inversion, die sich daraus ableitet, daß wir die Geschichte aus der Perspektive des Geistes erleben, ist allerdings dermaßen konsequent, daß von den herkömmlichen Geisterfilm-Merkmalen kaum etwas vorzufinden ist. Nur in einigen wenigen Sequenzen wird eine unheimliche Atmosphäre aufgebaut, ansonsten fragt sich der Zuschauer analog zur Titelfigur: Was von dem Gesehenem ist nur ein Traum, was ist Realität, was ist Erinnerung?



Wie bei den Häuten einer Zwiebel schält sich die ganze Wahrheit nur langsam heraus und offenbart eine tragische Familiengeschichte, die zu gleichen Teilen traurig und wunderschön ist. Formal ist der Film ebenfalls ohne Makel: Zu den fabelhaften Bildkompositionen gesellen sich gar einige animierte Sequenzen, die so außergewöhnlich und unerwartet eingebunden werden, daß man nur noch ungläubig auf den Bildschirm starrt.

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